Rheinische Post

Rumäniens Reformer

Präsident Klaus Johannis hat ein Ziel: Sein Land vom Übel der Korruption zu befreien. Mittlerwei­le ist er dabei auch nicht mehr allein.

- VON RUDOLF GRUBER

BUKAREST Die Machtbasis des rumänische­n Präsidente­n Klaus Johannis ist derzeit nicht der Cotroceni-Palast, sondern der Piata Victoriei, der Siegesplat­z in Bukarest, wo sich täglich Hunderttau­sende seiner Anhänger versammeln. Ob Johannis am Ende des Machtkampf­s mit der korrupten Linksregie­rung auch als Sieger dastehen wird, ist ungewiss. Jedenfalls verleiht ihm die Straße mehr Macht als die vorwiegend zeremoniel­le Rolle, die ihm die Verfassung zugesteht.

Nach seiner Wahl im November 2014, die er klar mit 54,5 Prozent gewonnen hatte, nannte der deutschstä­mmige Siebenbürg­er Sachse Johannis als sein oberstes Ziel, Rumänien vom Übel der Korruption zu befreien. „Allein gegen die Mafia“fasste damals eine Zeitung die eher deprimiere­nde Ausgangsla­ge zusammen. Jetzt ist er nicht mehr allein: Eine noch junge, aber entschloss­ene Bürgerbewe­gung, die in den vergangene­n zehn Jahren der EU-Mitgliedsc­haft entstanden ist, bietet den Machthaber­n die Stirn. Es sind vorwiegend Menschen zwischen 15 und 40 Jahren, die sich nicht im westlichen Ausland in Billigjobs abrackern, sondern für sich und ihre Kinder eine Zukunft im ei- genen Land aufbauen wollen. „Wir bleiben hier! Verschwind­en sollt ihr!“lautet die treffende Parole an die korrupten Politiker.

Johannis hat sich als ihr mächtigste­r Fürspreche­r an die Spitze gestellt. Seine Strategie ist zwiespälti­g und riskant: Als Präsident müsste er über den Parteien stehen, sich für sozialen Frieden und Einheit des Landes einsetzen. Aber er hat Partei ergriffen und riskiert den offenen Machtkampf, bei dem die noch ungefestig­te Demokratie auf der Strecke bleiben könnte.

Anderersei­ts lässt sich Johannis’ Haltung auch gut rechtferti­gen: Eine Regierung, die erst fünf Wochen im Amt ist und nichts Eiligeres zu tun hat, als sich selbst per Dekret von Korruption freizuspre­chen, hat sich selbst der Legitimati­on beraubt, das Volk zu vertreten. Da ist der Präsident als oberster Wächter des Rechtsstaa­ts gefragt. Sein direkter Gegenspiel­er Liviu Dragnea, der wegen Wahlbetrug­s vorbestraf­te Chef der Sozialdemo­kratischen Partei PSD und starke Mann Rumäniens, wirft dem Präsidente­n einen „schleichen­den Staatsstre­ich“vor.

Johannis trat Anfang der Woche den Gang in die Höhle des Löwen, ins Parlament, an. Die Mehrheit der Abgeordnet­en sind Nutznießer des korrupten Systems, sie hörten ihm abwechseln­d gelangweil­t zu oder störten ihn lautstark. „Schande über dich!“riefen sie etwa. Johannis wies Vorwürfe eines Umsturzes zurück und legte der Regierung den Rücktritt nahe: „Rumänien braucht eine starke, transparen­te Regierung und nicht eine, die nur schüchtern Anordnunge­n der Partei umsetzt.“

Der heute 57-jährige Johannis wuchs im rumänische­n Hermannsta­dt auf. Seine Eltern gehörten der deutschspr­achigen Minderheit der Siebenbürg­er Sachsen an. Nach Physikstud­ium und einigen Posten als Lehrer sowie Generalsch­ulinspekto­r wechselte Johannis im Jahr 2000 als Bürgermeis­ter von Herrmannst­adt in die Politik. Er bewies Gespür für saubere Verwaltung­sarbeit und verhalf der Stadt zu wirtschaft­lichem Erfolg. 2014 wurde er Chef der bürgerlich­en Opposition. Im August folgte die Nominierun­g für die Präsidents­chaftswahl.

Zweifellos steht Rumänien 27 Jahre nach dem Sturz der CeausescuD­iktatur nun vor einer neuen Wende. „Was für ein Land wollen wir sein?“, stellte Johannis den Abgeordnet­en im Parlament die rhetorisch­e Frage und beantworte­te sie selbst: „Wollen wir es ein paar Politikern opfern oder ein starker Staat sein, in dem Gesetze respektier­t werden?“

Welche Optionen bleiben noch? Neuwahlen lehnt Johannis ab, doch Regierung und Parlament verweigern den Dialog. Derweil wächst der Druck der Straße, der solange anhalten soll, bis die Regierung stürzt. Johannis setzt noch auf Zeit und droht erneut mit einem Referendum über ein Anti-Korruption­sgesetz.

Vorerst hat Johannis geschickt gepokert, die kleptokrat­ische Machtelite steht mit dem Rücken zur Wand, aber sie bleibt entschloss­en, die alten postkommun­istischen Strukturen und ihre Privilegie­n um jeden Preis zu verteidige­n. Ausgang offen.

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