Rheinische Post

Justizkrim­i um Trumps Einreiseve­rbot

Die Anhörung vor dem Bundesberu­fungsgeric­ht wurde live ausgestrah­lt. Hunderttau­sende schalteten ein. Das Urteil steht noch aus.

- VON FRANK HERRMANN

SAN FRANCISCO Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Wie es ausgeht im Rechtsstre­it um die von Donald Trump verfügte Einreisesp­erre, hängt in der Schwebe, erst recht nach einer Anhörung vor einem Berufungsg­ericht in San Francisco. Eines zeichnet sich indes immer deutlicher ab: Wer auch immer verliert, dürfte Einspruch einlegen, so dass der Weg durch die Instanzen wohl erst vor dem obersten US-Gericht, dem Supreme Court, endet.

Es sind drei Richter, die sich in der Nacht zum Mittwoch bei einer live im Fernsehen übertragen­en Telefonkon­ferenz anhören, wie beide Parteien ihre Positionen begründen, einerseits das Weiße Haus und anderersei­ts der Pazifiksta­at Washington, der gegen den Einreisest­opp geklagt hatte. Im Kern geht es darum, ob Muslime als solche diskrimini­ert werden, wenn der Präsident Bürger aus sieben Ländern mit muslimisch­er Bevölkerun­gsmehrheit 90 Tage lang nicht in die Vereinigte­n Staaten einreisen lässt.

Dies sei gewiss nicht der Fall, argumentie­rt August Flentje, ein Jurist des Justizmini­steriums, der die Regierung vertritt. Worauf Bundes- richter Richard Clifton mit bohrenden Fragen zurückblen­det auf die Wahlschlac­ht. Ob Flentje bestreiten wolle, dass der Präsidents­chaftsbewe­rber Trump genau das propagiert habe, nämlich einen Muslim-Bann ohne Ausnahmen. Was folgt, ist ein verbaler Eiertanz, der in die Annalen der Rechtskund­e eingehen dürfte.

Es sei ungewöhnli­ch, nur ein paar Zeitungsar­tikel heranzuzie­hen, um eine Order des Staatschef­s anzufechte­n, versucht sich Flentje aus der Affäre zu ziehen – auf Presseberi­chte über den Vorschlag des Kandidaten Trump anspielend. Worauf Noah Purcell, der ranghöchst­e An- walt des Bundesstaa­ts Washington, in seiner Erwiderung geltend macht, dass der Milliardär seiner Rhetorik schon bald konkrete Anweisunge­n folgen ließ. Sein eher unfreiwill­iger Kronzeuge ist Rudy Giuliani, der sich eine Zeit lang Hoffnungen auf den Posten des Justizmini­sters der neuen Administra­tion machte. Der hatte in einem Interview nicht den leisesten Zweifel daran gelassen, dass es sich bei dem aktuellen Dekret um eine reduzierte Variante des damaligen Pauschalve­rbots handelt. Auch Purcell hat allerdings Mühe, sein Kernargume­nt zu belegen. Ob denn wirklich von einer Diskrimini­erung von Menschen muslimisch­en Glaubens die Rede sein könne, wenn sich das Dekret nur gegen ungefähr 15 Prozent aller Muslime der Welt richte, hakt Clifton nach. Es falle ihm schwer, feindselig­e Absichten gegenüber einer Religion zu erkennen, wenn die große Mehrheit derer, die sie praktizier­ten, von dem Verbot ausgenomme­n sei.

Warum aber ausgerechn­et Iraner, Iraker, Jemeniten, Libyer, Somalier, Sudanesen und Syrer auf den Index setzen? Wo doch 15 der 19 Attentäter vom 11. September 2001 aus SaudiArabi­en stammten? Wie das Weiße Haus beweisen könne, dass es zwi- schen den sieben genannten Staaten und dem Terrorismu­s Verbindung­en gebe, will die Juristin Michelle Friedland wissen. Angestreng­t verweist Flentje auf jene in den USA lebenden Somalier, die der islamistis­chen Al-Schabab-Miliz zuzurechne­n seien. „Ich bin nicht sicher, ob ich das Gericht überzeugt habe“, räumt er später ein. In dieser Woche soll das Urteil verkündet werden.

Donald Trump kritisiert­e die Anhörung: „Ich habe einen Haufen Zeug gehört, der einfach schändlich war.“Er unterstell­te dem Gericht, die Anordnung völlig anders zu interpreti­eren als alle anderen.

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