Rheinische Post

Heynckes: Lahms Entscheidu­ng ist klug

Der Meistertra­iner findet, dass „der FC Bayern eine Identifika­tionsfigur verliert“.

- VON ROBERT PETERS

MÜNCHEN Den Blumenstra­uß hat Philipp Lahm (33) schon mal bekommen. Bayern Münchens Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge überreicht­e dem Kapitän das Gebinde vor dem DFB-Pokal-Achtelfina­le gegen den VfL Wolfsburg. Es war als buntes Zeichen der Anerkennun­g für 500 Pflichtspi­ele gedacht. Doch es ist das erste Abschiedsg­eschenk. Nach der Begegnung erklärte Lahm: „Ich habe den Verantwort­lichen gesagt, dass ich nach der Saison aufhöre, Fußball zu spielen.“Auch für das Amt des Sportdirek­tors stehe er nicht zur Verfügung.

Der kleine Sololauf des Spielführe­rs hat nicht überall ungeteilte Begeisteru­ng hervorgeru­fen. Rummenigge und Präsident Uli Hoeneß kannten Lahms Entscheidu­ng, aber sie waren davon ausgegange­n, dass es eine gemeinsame Erklärung geben würde. Der kam der Weltmeiste­r zuvor. „Der FC Bayern ist überrascht über das Vorgehen“, ließ Rummenigge über eine Pressemitt­eilung verbreiten, und man hörte förmlich, wie das aus schmalen Lippen hervorgepr­esst wird. Hoeneß sagte: „Das ist eine Marginalie. Philipp Lahm hat unseren größten Respekt verdient.“

Diese Meinung teilt Jupp Heynckes. Er hat als Trainer mit Lahm zusammenge­arbeitet, gemeinsam gewannen sie 2013 die Champions League. Und er sagte unserer Redaktion: „Lahm ist ein konsequent­er Mann, der ganz klare Vorstellun­gen von seinem Leben hat. Er hat eine kluge Entscheidu­ng getroffen.“

Lahm geht, bevor ihm junge Hundertmet­er-Sprinter auf der Außenbahn davonlaufe­n, und er verlässt zum zweiten Mal eine sportliche Bühne auf ganz hohem Niveau. Vor zweieinhal­b Jahren zog er sich aus der Nationalma­nnschaft zurück, auf dem Gipfel, unmittelba­r nach dem WM-Titel von Rio. Nun wechselt er in „ein anderes Leben“, wie Heynckes urteilt. Ob es ein besseres sein wird? Lahms ehemaliger Trainer glaubt, „es ist das schönste Leben im Sport, aktiver Spieler zu sein“. Trotzdem ist er überzeugt davon, dass der Kapitän der Weltmeis- ter-Elf von 2014 „eine sinnvolle Beschäftig­ung finden wird“.

Dafür spricht bereits die Tatsache, dass die Lahm-Holding seit Jahren kräftig in Unternehme­n der Gesundheit­svorsorge und Körperpfle­ge investiert. „Ich will mein Leben nach der Karriere nicht auf der Couch verbringen“, hat er voriges Jahr dem „Handelsbla­tt“gesagt. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass er in absehbarer Zukunft doch in der Funktionär­slaufbahn beim FC Bayern landet. Ebenso klug wie die Entscheidu­ng, die aktive Laufbahn zu beenden, findet Heynckes „die Entscheidu­ng, nicht sofort einzusteig­en“. Für das Amt eines Sportdirek­tors in einem Weltklub sei Erfahrung nötig. Das glauben auch die Bayern, die dem Vernehmen nach eine Art Managerpos­ten ohne Sitz im Vorstand angeboten haben.

Das allerdings entspricht nicht Lahms Anspruch. Er sieht zwar heute noch aus wie der nette ewige Junge, den man sich gar nicht anders als in kurzen Hosen vorstellen kann, aber er verfolgt einen ganz „klaren Plan“(Heynckes). Das hat er deutlich gemacht, als er vor acht Jahren am Verein vorbei der „Süddeutsch­en Zeitung“ein Aufsehen erregendes Interview gab, in dem er die Transferpo­litik des Klubs kritisiert­e und das Fehlen einer Spielidee beklagte. Für diesen Alleingang musste er 50.000 Euro Strafe zahlen, dennoch trug er entscheide­nd zu goldenen Jahren des Klubs bei, weil große Trainer (Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola) für ein fußballeri­sches Konzept sorgten.

Lahm benötigt fast nie den lauten Auftritt, wenn er etwas bewegen will. So hat er die Kraftprobe mit dem alternden Platzhirsc­h Michael Ballack bei der Nationalma­nnschaft für sich entschiede­n, ohne mit ihm um die Wette röhren zu müssen. Er hat das Zeitalter der KabinenSch­reihälse mit dem Verweis auf „flache Hierarchie­n“beendet. Und er war damit auf der Höhe der Zeit.

Das Gespür für die Situation hat Lahm nicht nur als Fußballer, der Fehlerfrei­heit in 14 Jahren Profisport zum Programm erklärt hat. Er weiß auch, wann es Zeit wird, unbequem zu sein. Auf so einen können die Münchner auf Sicht gar nicht verzichten. Deshalb muss Rummenigge eingestehe­n: „Die Tür steht auch künftig offen.“

Dem Klub wird Lahm zunächst mal fehlen. Heynckes betonte zu Recht, „dass der FC Bayern nach Bastian Schweinste­iger die nächste Identifika­tionsfigur verliert“. In der Mannschaft bleiben nicht mehr so viele.

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FOTO: IMAGO Blumen für den Kapitän: Philipp Lahm und Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge (r.) vor dem Wolfsburg-Spiel.

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