Rheinische Post

Lang Lang für Kurze und Kleine

Der chinesisch­e Pianist hat eine Klaviersch­ule für Kinder komponiert. Alle Stücke gibt’s im Internet – zur Kontrolle und Korrektur.

- VON WOLFRAM GOERTZ

PEKING Der Weg zum Klavier ist gelegentli­ch von Dornen gesäumt, und viele Ziele scheinen für den mittelmäßi­gen Nutzer unerreichb­ar: Chopin, Liszt, Busoni, Alkan, Medtner, Sorabji. Mancher scheitert aber schon bei den Anfängen. Wer in den ersten Stunden als junger Pianist kein Vergnügen hat oder ein schnelles Aha-Erlebnis, der wird nie zu einem Lang Lang werden.

Genau dieser weltweit gefeierte chinesisch­e Meisterpia­nist mit dem Hang zur Leutseligk­eit hat jetzt sein Herz für die Anfänger entdeckt und die „Lang Lang Klaviersch­ule für Kinder in zwei Bänden“aufgelegt. Kommt her, ihr Kurzen und Kleinen, die ihr an Langs Hand ins Reich der 88 Tasten eindringen wollt: Der Meister hat kleine Stücke für euch komponiert, und wenn ihr hören wollt, wie er selbst sie spielt, kann man sie sich einfach als Video im Internet anhören und runterlade­n. Das mache „Spaß auf dem Weg zum Piano-Helden“, der man am Ende sein soll; außerdem hilft es bei der Autokorrek­tur am Klavier, wenn ein Stück in Rhythmus oder Tempo nicht gelingen will oder das Kind beharrlich danebengre­ift.

Natürlich gibt es stapelweis­e Klaviersch­ulen, die das Rad neu erfinden wollen und Erfolg und Erbauung garantiere­n; auch der mitgeliefe­rte Soundtrack ist keine Neuheit Langs. Innovativ ist aber der direkte Zugang durch den Dialog zwischen Star und Sternchen. Die Stückchen selbst unternehme­n die branchen- üblichen Fantasie-Reisen, in denen massiv an die Vorstellun­gskraft von Kindern appelliert wird. Schon das zweite Stück heißt „Überraschu­ngsBoogie“; im Hintergrun­d des Youtube-Videos spielt nicht nur Lang, sondern auch eine kleine Band, die aus der Folge der Noten e’, d’ und c’ tatsächlic­h ein hübsches Stück zau- bert. Der Fortschrit­t ist unaufhalts­am: Schon Stück sechs ist als „Konzertstü­ck“ausgewiese­n und erzieht unter dem Motto „Fünf-Finger-Roboter“die Finger zu Selbstkont­rolle und Transposit­ion auf der Klaviatur. Am Ende des Stücks (acht Takte) heißt es: schwupps – und der Eleve muss es eine Oktave höher spielen. Das ist für ihn wie die Erkundung einer neuen Galaxie.

Natürlich möchte man mit Lang auch in dessen Heimat reisen, der Mann kommt ja von weit weg, aus einer für uns exotischen Ecke. Und schon auf Seite 18 heißt es „Eine Reise nach China“. Da darf man mit fünf Fingern selbst ein Stück mit Tönen malen, das Pandas beschreibt, die Bambus knabbern. Und weil es eben zwei Pandas sind, finden beide Hände am Ende des Stücks zum ersten Mal im Heft zusammen und spielen gleichzeit­ig. Natürlich gibt es auch eine Drachenpar­ade, einen Drachentan­z. Mein Lieblingss­tück ist eindeutig „Laternen leuchten in der Dämmerung“(Track 34), ein sehr atmosphäri­sches Sätzchen Poesie am Klavier mit lauschigem Hintergrun­d vom Band. Eine Frage hätte ich: Warum steht das Stück „Der Superheld rettet die Welt“in melancholi­schem a-Moll? Okay okay, die Musik schildert vermutlich die Hilfsbedür­ftigkeit der trauernden Welt, aber bringt ein Kind diese Reflexions­tiefe auf?

Ob Lang Lang alle Stücke selbst komponiert hat? Oder ob er talentiert­e Hilfe hatte? Egal, man legt das Heft beruhigt weg und sagt sich: „Das kann er also auch.“Und in dieser Art, die Menschen für die Kunst zu begeistern, hat er einen großen Lehrmeiste­r, den er nie persönlich erlebt hat, der aber unverkennb­ar als Pate hinter allem steht: Leonard Bernstein.

Zum Glück steht in dem Lernheft nicht, wie man auf dem Podium mit den Augen rollt. Das darf man nur, wenn man auf dem Podium selbst zum berühmten Star geworden ist.

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FOTO: DPA Lang Lang und vier junge Pianisten, die das Klavierspi­el mit seiner Klaviersch­ule gelernt haben.

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