Rheinische Post

Hipster kriegen Kinder

„Was hat uns bloß so ruiniert“erzählt von Eltern, die perfekt sein wollen.

- VON RENÉE WIEDER

In „Gruber geht“und „Die Vaterlosen“hat Marie Kreutzer auch von Familien erzählt, aber dies ist ihr erster Katastroph­enfilm. Mittler- weile Mutter, zeigt die österreich­ische Filmemache­rin, warum das Kinderhabe­n heute so komplizier­t ist. Ihre drei befreundet­en Paare gehören zu Wiens bourgeoise­r Bohème. Man zieht Tomaten auf dem Balkon, trinkt Fairtrade-Kaffee und würde nie was Elektrisch­es ohne Apfel drauf kaufen.

Stella (Vicky Krieps) und (Markus (Marcel Mohab) sind die ersten, die ihr Baby als neues Lifestyle-Projekt ankündigen. Mignon (Pheline Roggan) und Luis (Andreas Kiendl) ziehen aus Neid nach, bei Ines (Pia Herzegger) und Chris (Manuel Rubey) ist es ein Unfall. Alle strotzen vor Selbstbewu­sstsein. Muttergefü­hle, rosinenfre­ies Biomüsli, Bindegeweb­e – alles wird immer makellos und total unspießig sein.

Monate später sind alle ratlos. Darf man sich eine PDA setzen lassen, wenn sonst alles bio ist? Wieso beißt die Tochter, die man windelfrei aufzieht, einem anderen Kind fast die Schulter ab? Um solche Luxusprobl­eme geht es in Marie Kreutzers gesprächig­er Beziehungs­komödie. Man kann das oberflächl­ich finden, aber es ist auch witzig und genau beobachtet. Die HipsterPaa­re stranden mitten im Glaubenskr­ieg, der in Krabbelgru­ppen und Babymärkte­n ausgefocht­en wird. Den Kummer darunter macht Kreutzer klar: Dass selbst das Aufziehen von Kindern um Perfektion kreist und um Wettbewerb. Dass das alte Ich sich auflöst und durch ein neues ersetzt werden muss. Der Titel zitiert den Song „Was hat dich bloß so ruiniert“der Band Die Sterne. Um einen privilegie­rten Jahrgang geht es da, der nie entbehren musste und deshalb das Entsagen nie gelernt hat.

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