Rheinische Post

„Wissenscha­ft gehört zum Islam“

Rehmat Bashir Janjua studiert Theoretisc­he Physik an der HeinrichHe­ine-Universitä­t. Zugleich ist der 24-Jährige schon Generalsek­retär der muslimisch­en Ahmadiyya-Gemeinde in der Stadt.

- VON OLIVER BURWIG

Der gut gekleidete Student schlägt die Arbeitsmap­pe mit den Formeln auf, mit denen er zurzeit beschäftig­t ist. Seitenweis­e Mathematik, Physik, irgendwo darin soll es auch um Teilchen gehen und etwas, das sich Plasmabesc­hleunigung nennt. Gemeinsam mit seinem Professor am Institut für Theoretisc­he Physik arbeitet Rehmat Bashir Janjua an einer Publikatio­n, in der auch sein Name stehen soll. Der 24-Jährige ist Moslem und Generalsek­retär der kleinen Düsseldorf­er AhmadiyyaG­emeinde. Dass Religion und Wissenscha­ft nicht miteinande­r vereinbar sind, ist für ihn ein Klischee.

Mit einem Konflikt beginnt jedoch seine Geschichte: Janjuas Eltern mussten in den 80er Jahren aus Pakistan fliehen, weil dort Anhängern der Ahmadiyya-Gemeinde die Todesstraf­e droht. So kam es, dass Janjua in Deutschlan­d geboren wurde, in Düsseldorf aufwuchs, auf das Georg-Büchner-Gymnasium und an die Heine-Universitä­t ging. Die Sprache seiner Eltern, Urdu, die für die meisten Deutschen wohl so verständli­ch wie seine physikalis­chen Notizen ist, spricht der Student fließend: „Ich finde es wichtig, zu wissen, wo man herkommt.“So erzählt Janjua auch stolz, dass sein Urgroßvate­r das Ahmadiyya-Gelübde vor dem Gründer der Religion, Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad, ablegte.

Janjua ist es wichtig, dass er Ahmadi ist, nicht weil seine Eltern es sind, sondern weil er den Glauben aus eigener Überzeugun­g gefunden habe. Ein Physikstud­ent, der vom „Kontakt mit dem Schöpfer“spricht – der 24-Jährige will nichts wissen vom Klischee des Kampfes Islam gegen Wissenscha­ft. „Bildung ist etwas, das der Islam lehrt. In der Wissenscha­ft finde ich die Bestätigun­g für meine Überzeugun­gen, und im Koran gibt es auch die Naturgeset­ze“, sagt Janjua. Eine Religion ohne den Bezug zur Wissenscha­ft empfindet er als „unvollstän­dig“.

Wenn er mit dem Studium fertig ist, will er seinen Doktor machen, in die Forschung gehen. Wie seine Zukunft aussieht, hat er aber nicht allein in der Hand: Nach dem Abschluss will Janjua erst den in London lebenden Khalifa, das spirituel- le Oberhaupt der Ahmadis, befragen, was er tun soll. Üblich ist, dass dieser mit der Gegenfrage antwortet, was man selbst will, und diesem Wunsch dann stattgibt. Auch nach dem Studium will Janjua in der Gemeinde aktiv bleiben, Ausstellun­gen organisier­en, Sitzungen vorbereite­n, Sport treiben. Früher habe Janjua geboxt, heute läuft er gerne. Bewegung ist wichtig für die Ahmadiyya, die glauben, dass ein „gesunder Geist in einem gesunden Körper wohnt“.

Wer Janjua auf seine Religion anspricht, rennt offene Türen ein. Er redet gerne über die Philosophi­e, das Menschenbi­ld der AhmadiyyaG­emeinde und sucht stets den Dialog mit jenen, die etwas darüber wissen wollen. An der Uni geschieht das nicht oft: „Man spricht hier nicht allzu viel über Religion.“Ein Stockwerk unter dem Büro, in dem Janjua forscht, befindet sich ein Raum der Stille, in dem er regelmäßig bete. Angesproch­en werde er darauf kaum: „Wenn das Gespräch aber darauf kommt, sind die Leute meist positiv überrascht.“Er steht für Religionsf­reiheit, Säkularisi­erung und Pazifismus ein. Eine auffällige Eigenschaf­t Janjuas ist seine ruhige Ausstrahlu­ng, die der junge Mann auch angesichts kritischer Fragen behält. Ob ihn der Dialog mit Menschen, die den Islam pauschal kritisiere­n, nicht manchmal frustriert? Darauf hat der Gläubige und Physiker nur eine Antwort: „Den Lohn gibt es nicht in dieser Welt.“

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