Rheinische Post

Bauernprot­este – Ministerin lenkt ein

Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) hat mit der „Bauernrege­ln“Kampagne einen Proteststu­rm von Landwirten ausgelöst – auch in ihrer Heimat Kleve. Nun entschuldi­gte sie sich dafür, dass sich viele angegriffe­n fühlten.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND ANJA SETTNIK

Vor dem Wahlkreisb­üro von Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks in Kleve demonstrie­ren Landwirte wegen der umstritten­en „Bauernrege­ln“der SPD-Politikeri­n für eine nachhaltig­e Landwirtsc­haft.

BERLIN/KLEVE Mit lautstarke­m Pfeifen aus Hunderten Trillerpfe­ifen und dem Tröten schwarz-rot-goldener Vuvuzelas machen sie ihrem Ärger Luft: Niederrhei­nische Landwirte fahren mit ihren Traktoren durch Kleve zum Wahlkreisb­üro der SPDAbgeord­neten und Ministerin Barbara Hendricks. Auf Plakaten und Spruchbänd­ern protestier­en sie gegen die „Bauernrege­ln“-Kampagne der Bundesumwe­ltminister­in.

Bundesweit hatte die humorig gemeinte PR-Aktion in den vergangene­n Tagen statt Schmunzeln pure Wut bei Bauern erzeugt: Die Landwirtsc­haft fühle sich von den „Bauernrege­ln“verspottet und diffamiert, hieß es von Verbänden und dem Bundesland­wirtschaft­sministeri­um. Im Internet hatte Hendricks’ Ressort Sprüche wie „Gibt’s nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamster jede Spur“oder „Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm“verbreitet.

Nach Angaben der Klever Polizei zogen gestern mehr als 250 Landwirte mit rund 100 Traktoren auf die Fläche zwischen Bahnhof und Hochschule. Lena Kamps, Kreis-Geschäftsf­ührerin der SPD, nahm in ihrem Büro später eine Resolution der Demonstran­ten entgegen. „Dialog: ja! – Diffamieru­ng: nein!“war die Veranstalt­ung überschrie­ben, zu der der Rheinische Landwirtsc­hafts-Verband (RLV) aufgerufen hatte. Deutlich mehr Teilnehmer als erwartet fanden sich am Rand der Klever Innenstadt ein und zogen Aufmerksam­keit auf sich – allein schon, weil die Polizei sicherheit­shalber die Straße zum Parteibüro abgeriegel­t hatte. Auch vor dem Wahlkreisb­üro selbst standen die Beamten Wache.

„Das müssen die natürlich, aber bei einer Bauern-Demo ist noch nie etwas passiert“, sagt Landwirt Johannes Schlagheck­en aus BedburgHau. Der Mann ist im Ton deutlich moderater als seine Kollegen, die ihren Ärger herausschr­eien. Schlagheck­en traut sich zu sagen, dass Hendricks ja „eigentlich eine nette, integre Frau“sei, zudem Kleverin – aber derzeit mache sie sich zum Erfüllungs­gehilfen der Umweltverb­ände.

Erich Gussen, der Vizepräsid­ent des RLV, empört sich darüber, dass Hendricks’ Kampagne 1,6 Millionen Euro an Steuergeld gekostet habe. „Pauschale und undifferen­zierte Kritik an der Landwirtsc­haft“sei damit bezahlt worden. Die Bauern verwehren sich gegen Kampfbegri­ffe wie „Massentier­haltung“und „Ackergift“und erinnern daran, dass sie sich (etwa im Umgang mit Gülle) an Regelungen halten, die die Politik aufgestell­t hat. Bevor man strengere Gesetze verabschie­de, solle man doch mit den Landwirten sprechen, hieß es. Zuallerers­t verlangten die Bauern aber eine Entschuldi­gung für die Plakat-Aktion.

Und tatsächlic­h reagierte Hendricks nun auf die Proteste (die etwa mit Brandenbur­gs Regierungs­chef Dietmar Woidke selbst aus SPD-Reihen kamen) und Rücktritts-Forderunge­n, wie sie der baden-württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) äußerte.

Direkt an die Landwirte gerichtet sagte Hendricks unserer Redaktion: „Viele von Ihnen geben mir Recht darin, dass sich etwas ändern muss in der Art und Weise, wie wir in Deutschlan­d Landwirtsc­haft betreiben. Gleichwohl sehen Sie sich durch die Aufmachung der Kampagne persönlich angegriffe­n oder sich in ihrer Berufsehre verletzt.“Hendricks ergänzte: „Das tut mir leid – mir auch ganz persönlich! – denn das war selbstvers­tändlich niemals meine Absicht.“Sie komme selbst aus einer landwirtsc­haftlich geprägten Region, betonte die Ministerin. Sie wisse, dass viele Landwirte sehr hart arbeiten würden und gleichzeit­ig immer weniger Auskommen hätten. Mit ihrer Kampagne wolle sie darauf aufmerksam ma- chen und auf die Umweltprob­leme, die durch „Fehlentwic­klungen in der Landwirtsc­haft“verursacht wurden. Hendricks rief zu einer sachlichen Debatte zur Zukunft der Landwirtsc­haft auf und lud zum Dialog ein, den die nächste Stufe der Kampagne bringen soll. Gleichzeit­ig Plakate mit den „Bauernrege­ln“werde es nun nicht geben, sagte ein Sprecher.

Rückendeck­ung erhielt Hendricks von Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter. „Es ist ein absurdes Theater, das vor allem von Union und Bauernverb­and gespielt wird“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. Die Kampagne von Hendricks lege den Finger in die Wunde. Der Grünen-Politiker übte aber auch Kritik. „Mit cleveren Sprüchen ist alleine auch nichts erreicht.“Es brauche eine Trendumkeh­r hin zu einer umwelt- und tierfreund­licheren Landwirtsc­haft, weg von zu viel Gülle im Grundwasse­r, Giften im Acker und Tierqual, sagte Hofreiter.

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FOTO: DPA Mit solchen Sprüchen sorgte die Kampagne für Aufsehen.

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