Die Kunstsammlung NRW zeigt Bilder aus der Düsseldorfer Zeit von Otto Dix.
Unter dem Titel „Otto Dix. Der böse Blick“beleuchtet die Kunstsammlung NRW die Düsseldorfer Jahre des Malers. Die Bilder erzählen davon, wie freizügig es in der Weimarer Republik zuging.
DÜSSELDORF Rot kommt gut an. Das wusste auch Otto Dix (1891-1969), der Maler und Grafiker, der 1922 von Dresden nach Düsseldorf gezogen war und dort in nur drei Jahren den Grund seines überzeichnenden, oft bärbeißigen Stils gelegt hatte. Am Ende seiner Zeit am Rhein setzte er Anita Berber ins Bild, in rotem Kleid mit rotem Haar vor rotem Grund – eine Tänzerin, Schauspielerin und Selbstdarstellerin, Prototyp der Femme fatale. Das Gemälde, eine Ikone der Porträtkunst in der Weimarer Republik, bildet jetzt den verlockendsten Magneten in der Ausstellung „Otto Dix. Der böse Blick“im Düsseldorfer K 20.
Die Porträtierte wirkt in ihrer Pose selbstbewusst, in ihrer Kleidung lasziv und im Gesicht maskenhaft. Die Tänze, die sie aufführte, hießen „Kokain“, „Byzantinischer Peitschentanz“und „Selbstmord“. Sie machte mit lesbischen Affären, Schlägereien und Verhaftungen von sich reden und starb mit 29 an Tuberkulose. Solcherart sind die Motive und Schicksale, von denen sich Otto Dix fesseln ließ. In Dresden hatte an seinen frühen Dada-Collagen kaum jemand Interesse, in Düsseldorf fand er im Umfeld der legendären Mutter Ey endlich Käufer – und seine Liebe. Und das kam so: Als er den Arzt, Sammler und Mäzen Dr. Hans Koch auftragsgemäß porträtierte, wohnte er bei der stets hilfsbereiten Johanna Ey. In Kochs Ehefrau Martha entdeckte er eine tolle Tanzpartnerin, verliebte sich und heiratete sie, nachdem Dr. Koch sich hatte scheiden lassen. Der tröstete sich mit Marthas Schwester Maria – und hatte im Übrigen wenig Freude an seinem Porträt. Denn Dix hatte ihn, den Urologen, mit vernarbten Schmissen im aufgedunsenen Gesicht dargestellt, mit Spritze und Katheter in den Händen und ratlos durch den Kneifer blickend. Koch verkaufte das Bild später, es landete beim Kölner Sammler Josef Haubrich und bildete den Grundstock des Museums Ludwig.
In der Düsseldorfer Ausstellung fehlt das Bild wegen seines labilen Zustands. Das ist schade, aber kein Unglück, denn die Schau breitet Dix in verschwenderischer Fülle aus. Zwischen zahlreichen Bildern, in denen seine karikaturistische Art zur Manier zu werden droht, finden sich immer wieder Werke, die magisch die Blicke auf sich ziehen – von Sympathie getragene Bildnisse wie dasjenige der füllig-freundlichen Johanna Ey ebenso wie unvorteilhafte, etwa das des Kunsthändlers Alfred Flechtheim. Der hatte sich für Paul Klee, George Grosz und Max Beckmann stark gemacht, nicht aber für Dix – und musste nun in dieser nicht in Auftrag gegebenen Darstellung büßen: große Nase, fliehende Stirn, kurzer Hals und hochgezogene Brauen.
Heinrich George dagegen, der Vater von Götz, fühlte sich von Dix in einer Auftragsarbeit gut getroffen. Der massige Körper und der bullige Gesichtsausdruck passten zu der Rolle, die er in dieser Pose auf der Bühne verkörperte.
Auch Martha Dix wird zufrieden gewesen sein, als ihr Mann sie in elegantem schulterfreien Abendkleid porträtierte, mit Hut in der Farbe des Lippenstifts, die in Kontrast zur weißen Schminke des Gesichts steht. Die eine Hand ist ebenfalls geschminkt, die andere zeigt Martha als Frau aus Fleisch und Blut.
Rund um solche Blickfänge gruppieren sich zahlreiche der mehr als 400 Aquarelle, die Dix in Düsseldorf schuf und Motive aus der Halbwelt zeigen. Da begegnen dem Besucher Matrosen mit ihren surreal ins Bild eingeblendeten sexuellen Fantasien, Besoffene zeigen Fratzen, Sadisten treiben ihre Spiele.
So übermütig, auch humorvoll Dix solche Gestalten in Szene setzt, oft ganz ohne „bösen Blick“, so sehr wird man doch irgendwann seiner Virtuosität überdrüssig. Zwischen Surrealismus und Neuer Sachlichkeit findet er kaum zu einer unverwechselbaren eigenen Ausdrucksweise. Vielleicht ist das der Grund, warum Werner Schmalenbach, Gründungsdirektor der Kunstsammlung NRW, zwar Werke des stilistisch verwandten George Grosz in seine Sammlung aufnahm, Otto Dix, den altmeisterlichen Lasurmaler, aber links liegen ließ. Grosz’ grotesker „Liebeskranker“verweist Dix als Maler und Kompositeur eindeutig auf Platz zwei dieses Genres.
Allerdings gibt es noch den Grafiker Dix. Sein überragendes Können erweist sich im Radierzyklus „Der Krieg“, dem grafischen Hauptwerk der Düsseldorfer Jahre. Bei schwacher Beleuchtung entfalten diese überwiegend schwarz-weißen Blätter im Saal am Grabbeplatz ihre bestürzende Wirkung. Ein Soldat, dem ein Geschoss die rechte Gesichtshälfte herausgehauen hat, ein Verwundeter, der den Betrachter vorwurfsvoll schreiend anstarrt, ein Skelettierter mit Helm und Gewehr oder ein Granattrichter, auf dem Blumen wachsen – so furchtbar das Thema, so filigran hat Dix die Erscheinungsformen des Ersten Weltkriegs eingefangen.
Im letzten Bild des Ausstellungsrundgangs, 1931 entstanden, zeigt Dix sich grau vor schwarzem Grund mit Staffelei und Palette im Malkittel. Nicht auf das Bild scheint er zu blicken, sondern auf den Zweiten Weltkrieg, der seine Schatten vorauswirft. In der Zeit des Nationalsozialismus hielt sich Dix mit privaten Aufträgen über Wasser, nach dem Krieg pendelte er zwischen beiden Teilen Deutschlands.
Am Bodensee ist er begraben.