Spaziergang durch die „No-Go-Area“
Das Schausteller-Gelände in Rath gilt als Gebiet, das man als Fremder besser nicht einfach betreten sollte. Ein unangekündigter Besuch.
Das Areal in Rath gilt als Gebiet, das man als Fremder besser nicht einfach betreten sollte. Wir haben es besucht.
Von bedrohlicher Stimmung ist die Rede, von Kriminalität und bissigen Hunden. Eine „No-Go-Area“sei das umstrittene Schausteller-Gelände in Rath, heißt es, ein Gebiet, das man besser nicht einfach so betritt. In der Tat: Als erstes begrüßt die unangemeldete Besucherin ein Hund, der mit großen Sprüngen auf sie zuläuft. Dann stellt der kleine Mischling sich auf die Hinterbeine, drückt seine Pfoten an das Knie der Besucherin und gibt keine Ruhe, bis er gestreichelt wird.
Die Stadt will das Gelände an der Oberhausener Straße jetzt umgestalten und eine aus ihrer Sicht ungenehmigte Halle abreißen, um einen Durchgang zu schaffen. Sie erhofft sich so mehr soziale Kontrolle: Einige Bewohner sollen das Areal wie eine Privatstraße behandeln und entsprechend mit Besuchern umgehen. Entsprechend schwierig waren die Vorbereitungen für den Hallen-Abriss, die Vermesser mussten unter Polizeischutz arbeiten.
Ungesehen kommt wohl tatsächlich keiner auf das dicht bebaute und vollgestellte Gelände, das an einigen Stellen fast bürgerlich wirkt mit seinen Gartentoren, in dem sich zwischen den Holzhäusern aber auch Auto-Wracks und Blech türmen. Wer von der Theodorstraße auf die industriell geprägte Nebenstraße und dort aufs SchaustellerGelände abbiegt, wird sofort in den Blick genommen. Momente nach dem Hund kommt ein Anwohner in Arbeitskleidung aus seinem Haus, schaut lange hin, grüßt, geht weiter.
Behelligt wird die Besucherin nicht, ansprechen muss sie den Be- trag haben wollen. „Da kommt einfach keiner raus“, sagt sie. „Die Stadtwerke haben das dann kulanterweise erledigt, obwohl sie nicht zuständig waren.“Ein anderer Anwohner hatte Mühe, einen InternetAnschluss zu bekommen. Verstehen könne sie das nicht, sagt die Frau, „hier geht es oft ruhiger zu als in manch anderem Viertel.“
Trotzdem, sagen manche, trauen sich einige Kinder von hier kaum noch zur Schule: „Du wohnst doch in diesem Gebiet“, bekämen sie dann zu hören. Bei Firmen in der Umgebung müssten sie gar nicht erst nach Praktika fragen. Mancher Bewohner überlegt, Rath zu verlassen – obwohl man eigentlich das Recht habe, zu bleiben.
„Unser Pachtvertrag läuft noch bis 2025“, sagt Anwohner Paul Maus – und meint die zahlreichen Schausteller-Familien, die hier leben, man kennt sich, teils oberflächlich, teils gut. Die umstrittene Halle (die Anwohner sagen, sie hätten hier freies Gestaltungsrecht) stehe bereits seit 18 Jahren an dieser Stelle, erzählt ein Anwohner, der nach eigenem Bekunden Betreiber einer Monstertruck-Show ist und damit im Sommer durch Deutschland tourt. „Und wir haben hier nichts geschenkt bekommen, wir haben alles bezahlt.“Dass an der Halle eine Gasleitung laufe, sei längst bekannt, regelmäßig komme jemand und prüfe deren Dichtigkeit. Warum die Halle plötzlich stört, versteht er nicht. Er denke mit seinen Nachbarn darüber nach, sich einen Anwalt zu nehmen.
Am Ende des Spaziergangs trifft die Besucherin noch einen Anwohner. Der sagt nur „Mahlzeit“und geht weiter.