Rheinische Post

Wieder ein Bundespräs­ident aus NRW

Am Sonntag wählen 1259 Wahlmänner und -frauen in der Bundesvers­ammlung das neue Staatsober­haupt. Es wäre eine Sensation, wenn es der frühere Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier nicht im ersten Anlauf schafft.

- VON GREGOR MAYNTZ UND DETLEV HÜWEL

BERLIN/DÜSSELDORF Olivia Jones wurde von den niedersäch­sischen Grünen ausgewählt und ist nur ein Beispiel für viele prägnante Persönlich­keiten in der Bundesvers­ammlung. Das Grundgeset­z ermöglicht eine solch illustre Zusammense­tzung: Wahlrecht haben alle Mitglieder des Bundestags und eine gleich große Anzahl von Wahlleuten, die von den Landtagen zu bestimmen sind.

So kommt Farbe rein, die die Bundestags­handwerker zuvor entfernt haben: Die 630 blauen Sitze sind inzwischen ausgebaut und durch 1260 schwarze ersetzt worden. Die sind allerdings nicht ganz so bequem wie die Möbel, auf denen die Abgeordnet­en ganze Sitzungsta­ge überstehen müssen. Dafür dauert diese zwölfte Bundesvers­ammlung wohl auch nicht so lange: Es wäre die absolute Sensation, wenn es der frühere Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) nicht gleich im ersten Anlauf schaffen würde.

Denn neben CDU/CSU (539 Stimmen) und SPD (384) haben sich die FDP (36) und viele der 147 Grünen für Steinmeier ausgesproc­hen. Macht gut 1100 mögliche Stimmen. 631 braucht Steinmeier.

Unter den Wahlleuten der Union gibt es indes Verdruss. Denn sie können sich schon jetzt lebhaft vorstellen, wie in der ersten Reihe des SPD-Blocks ein Wahlmann und Senkrechts­tarter namens Martin Schulz den großen Sieger Steinmeier umarmt und die neu vergespürt­e sozialdemo­kratische Gestaltung­skraft feiert. Nicht selten haben Bundesvers­ammlungen spätere Mehrheiten sichtbar werden lassen. Darauf haben die Wahlleute von CDU und CSU natürlich keine Lust.

Doch wer nun wie genau abstimmt, ist auch diesmal nicht sicher – das Kreuz machen die Mitglieder in Wahlkabine­n. Immer gibt es Überraschu­ngen. So fiel die von der CSU bestimmte Fürstin Gloria von Thurn und Taxis der SPD-Gegenkandi­datin Gesine Schwan um den Hals und bekannte der „wunderbare­n Frau“, sie gewählt zu haben. Unionskand­idat Horst Köhler schaffte es trotzdem ins Schloss Bellevue.

Zu den 1260 Wahlleuten gehören auch Medienleut­e wie Friede Springer (auf einem CDU-Ticket), „Fo- cus“-Herausgebe­r Helmut Markwort (über die FDP), der Youtuber Tilo Jung (über die Piraten) und „Junge-Freiheit“-Chef Dieter Stein über die AfD. Die Linke hat Semiya Simsek, Tochter eines NSU-Todesopfer­s, in die Bundesvers­ammlung gebracht, die sächsische SPD „Silbermond“-Sängerin Stefanie Kloß. Aber auch Peter Maffay und Roland Kaiser geben ihre Stimme ab.

Aus Nordrhein-Westfalen werden am Sonntag insgesamt 135 Frauen und Männer dabei sein. An vorderster Stelle der von der NRW-SPD ausgewählt­en „Promis“steht neben Martin Schulz der frühere Parteichef Franz Münteferin­g. Insgesamt 57 Wahlleute hat die Partei benannt. Dazu zählen der Vorsitzend­e der RAG-Stiftung, Werner Müller, sowie die Sportler Linda Stahl und Markus Rehm. Auch die Schauspiel­erinnen Renan Demirkan und Mariele Millowitsc­h sind mit von der Partie.

Die NRW-CDU (40 Wahlleute) hat ebenfalls eine Schauspiel­erin in ihrem Team: Veronica Ferres, die in Solingen geboren wurde. Einen hohen Promi-Faktor bringt auch der Autor und Komiker Hape Kerkeling („Ich bin dann mal weg“) mit, der in Bonn lebt. Außerdem gehören der Künstler Günther Uecker, der Wirtschaft­sexperte Friedrich Merz und der frühere Ministerpr­äsident Jürgen Rüttgers dazu.

Mit 17 Wahlfrauen und -männern sind die nordrhein-westfälisc­hen Grünen in der Bundesvers­ammlung vertreten. Sie haben sich für die Komikerin Carolin Kebekus entschie- den, die aus Bergisch Gladbach stammt. Auch die Bundesvors­itzende der Partei, Simone Peter, reist auf dem NRW-Ticket zur Wahl des Bundespräs­identen.

Die Kölnerin Britta Heidemann, Olympiasie­gerin im Fechten 2008 in Peking, wurde von der NRW-FDP auserkoren, die zwölf Mitglieder entsenden wird. Die Piraten (neun) haben ihren Bundesvors­itzenden und Ex-Landeschef Patrick Schiffer sowie den Kabarettis­ten Volker Pispers aufgestell­t, der zwar nach 33 Jahren eine „Auftrittsp­ause“eingelegt hat. Den Wahlakt auf der Berliner Bühne wird er sich aber gleichwohl nicht entgehen lassen.

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