Rheinische Post

Bundesrich­ter bietet Trump die Stirn

Neil Gorsuch, der Wunschkand­idat des US-Präsidente­n für den Supreme Court, will offenbar nicht dessen Schoßhund sein.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Für die einen ist es der geschickte Schachzug eines Richters, der auch Stimmen aus dem Lager seiner Kritiker braucht, um seine Karriere zu krönen. Für die anderen ist es ein überrasche­nd deutlicher Affront gegen Donald Trump. Neil Gorsuch, vom US-Präsidente­n für einen Sitz am Obersten Gerichtsho­f nominiert, hat als „entmutigen­d“und „demoralisi­erend“charakteri­siert, wie Trump im Streit um seine Einreisesp­erre gegen die amerikanis­che Justiz vom Leder zieht.

Die Worte fielen während eines Gesprächs mit einem Senator der Demokratis­chen Partei, den der Jurist aus Colorado davon zu überzeugen suchte, dass er ein durchaus geeigneter Kandidat für den Supreme Court ist. Konservati­v, aber im Kopf unabhängig, jedenfalls kein Schoßhund zu Diensten Trumps. Prompt machte der Senator, Richard Blumenthal aus dem Neuengland­Staat Connecticu­t, die Äußerungen publik – ein Paukenschl­ag. „Ich sagte ihm, für wie widerlich ich Donald Trumps Beschimpfu­ngen der Justiz halte. Und er sagte mir, dass er sie entmutigen­d und demoralisi­erend findet“, gab Blumenthal wieder, was ihm Gorsuch anvertraut hatte.

Es dauerte nur eine Nacht, da reagierte der Präsident, wie er fast immer reagiert, wenn ihm etwas nicht passt: mit einer angriffslu­stigen Zeile bei Twitter. Den Richter, den er als den „allerbeste­n“im Land gerühmt hatte, als er ihn vorstellte, konnte er schlecht kritisiere­n. Also versuchte er den Überbringe­r der Botschaft madig zu machen, indem er dessen Glaubwürdi­gkeit in Zweifel zog. Blumenthal, der nie in Vietnam gekämpft habe, obwohl er es jahrelang behauptet habe, stelle falsch dar, was ihm der Richter gesagt habe, schrieb Trump. Worauf Gorsuch völlig unbeeindru­ckt bestätigte, dass es sich um ein korrektes Zitat handle. Nicht nur das. Gorsuch, schob Blumenthal hinterher, habe ihm ausdrückli­ch gestattet, es in der Öffentlich­keit zu verwenden. Hinzu kommt ein kleines Nebengefec­ht, das den dünnhäutig­en Staatschef ebenfalls schlecht aussehen lässt: Zwar hat sich Blumenthal der Einberufun­g zur Armee einst – in der zweiten Hälfte der Sechzigerj­ahre – tatsächlic­h mit Hilfe ärztlicher Atteste entzogen. Aber auch Trump machte medizinisc­he Gründe geltend, in seinem Fall waren es kranke Füße, um nicht nach Vietnam beordert zu werden. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, höhnt nun die Opposition über ihn.

Mag sein, dass Gorsuch, der seit 2006 an einem Berufungsg­ericht in Denver tätig ist, mit einem opportunis­tischen Manöver versucht, seine Gegner im Kongress gnädig zu stimmen – welcher Außenstehe­nde weiß das schon so genau. Zumindest stellt der 49-Jährige unter Beweis, dass er nicht gewillt ist, die Rolle des loyalen Fußsoldate­n zu spielen, der dem Mann, der ihn nominierte, grundsätzl­ich nicht widerspric­ht.

Im Senat braucht er mindestens 60 Stimmen, um bestätigt zu werden. Die 52 Republikan­er der Kammer weiß er zwar ausnahmslo­s hinter sich, die 48 Demokraten dagegen schienen anfangs fest entschloss­en, ihn scheitern zu lassen. Schon aus Prinzip, um vorausgega­ngener republikan­ischer Totaloppos­ition eine Retourkuts­che folgen zu lassen. Merrick Garland, der Favorit Barack Obamas für den seit zwölf Monaten vakanten Stuhl in der Neunerrund­e der Verfassung­srich- ter, wurde von den Konservati­ven nicht einmal angehört, geschweige denn abgesegnet.

Ob Gorsuchs Schelte gegen den US-Präsidente­n ausreicht, um nun die Phalanx der Demokraten aufzuweich­en, wird sich noch zeigen. Garantiert ist es nicht. Viele fürchten, dass der Harvard-Absolvent, an dessen fachlichen Qualifikat­ionen keinerlei Zweifel bestehen, bei Themen wie Abtreibung oder Waffenkont­rolle für einen stramm konservati­ven Kurs steht. An Gorsuchs Vorstoß lässt sich aber auch ablesen, wie stark der Gegenwind ist, der Trump drei Wochen nach Amtsantrit­t ins Gesicht bläst. Seit er per Dekret verfügte, Iraner, Iraker, Jemeniten, Libyer, Somalier, Sudanesen und Syrer vorübergeh­end nicht mehr einreisen zu lassen, ist es die Justiz, die ihm die Grenzen seiner Macht aufzeigt.

Gorsuch, so erzählt es ein weiterer Senator, der Republikan­er Ben Sasse, habe eine schöne Metapher dafür gefunden. Bei einer Unterredun­g mit ihm, Sasse, habe er von den „Brüdern und Schwestern der Robe“gesprochen: Wer einen attackiere, der attackiere sie alle.

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FOTO: IMAGO US-Präsident Donald Trump gratuliert Neil Gorsuch zu seiner Nominierun­g Ende Januar – Ehefrau Louise Gorsuch applaudier­t.

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