Rheinische Post

Grünes Licht für die Brexit-Pläne von Theresa May

Triumph für die britische Premiermin­isterin: Das Unterhaus gibt ihr die uneingesch­ränkte Vollmacht für einen harten EU-Ausstieg.

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON Der erste Schritt ist geschafft. Mit einer überwältig­enden Mehrheit von 494 zu 122 Stimmen hat das britische Unterhaus entschiede­n, der britischen Premiermin­isterin Theresa May die Vollmacht zu erteilen, den Austritt aus der EU einzuleite­n. Nach der Parlaments­pause am 20. Februar muss das Brexit-Gesetz noch ins Oberhaus, wo es mit Änderungen versehen werden kann. Das könnte den Brexit zwar verlangsam­en – aber nicht mehr verhindern.

May hat jetzt die völlige Handlungsf­reiheit, einen Brexit voranzutre­iben, der offenbar auf einen har- ten Schnitt mit Binnenmark­t und Zollunion hinauslauf­en wird. Das Gesetz konnte ohne jede Modifizier­ung passieren. Die Opposition und auch einige Hinterbänk­ler aus Mays Konservati­ver Partei hatten Änderungsa­nträge eingereich­t, die vom Mitsprache­recht für die schottisch­e Regionalre­gierung über den Verbleib im Binnenmark­t bis zum Bleiberech­t für EU-Ausländer im Königreich reichten. Doch vergeblich: Jeder einzelne Antrag wurde abgeschmet­tert. Unter den mit der absoluten, aber knappen Mehrheit von 16 Stimmen regierende­n Konservati­ven fanden sich nicht genug Rebellen, die sich gegen die Premiermin­isterin stellen wollten.

Zudem war die Opposition gespalten. Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte erklärt, dass seine Partei den Willen des Volkes respektier­en und deshalb für das Brexit-Gesetz stimmen werde. Er rief den Fraktionsz­wang aus, was rund 50 seiner Genossen, darunter Mitglieder des Schattenka­binetts, nicht davon abhielt, gegen das Gesetz zu stimmen. Labour ist zerrissen. Während die meisten Abgeordnet­en klar gegen den Brexit sind, sind es viele Labour-Wähler nicht. 70 Prozent der Wahlkreise, die Labour hält, hatten im Referendum für den EU-Austritt gestimmt.

So wurde das parlamenta­rische Zwischensp­iel zum Triumph für Theresa May. Für manche kam das überrasche­nd. Denn als die höchsten Gerichte des Landes urteilten, dem Parlament ein Mitsprache­recht beim Brexit zu geben, wurde das als Ohrfeige für die Premiermin­isterin interpreti­ert, die den Brexit lieber in Eigenregie gestaltet hätte. Die Volksvertr­eter werden ihr schon in die Zügel greifen, hatte man gehofft. Immerhin hatten sich im Referendum rund drei Viertel aller Abgeordnet­en gegen den EU-Austritt ausgesproc­hen. Doch jetzt haben mehr als 80 Prozent der Parlamenta­rier für das Austrittsg­esetz gestimmt. Deren Meinungsän­derung bewirkten Einschücht­erungskamp­agnen. Die Abgeordnet­en dürften sich nicht gegen den erklärten Willen des Volkes stellen, wurde seitens der Regierung, von Brexit-Befürworte­rn, aber auch massiv von konservati­ven Medien gefordert.

Das gleiche Argument wird jetzt gegenüber dem Oberhaus ge- braucht und mit einer Drohung versehen. Die Lords, zitierte die BBC eine Regierungs­quelle, müssten „die Demokratie beschützen“und das Gesetz ohne Widerstand passieren lassen, andernfall­s stünden sie „einem überwältig­enden öffentlich­en Aufschrei nach ihrer Abschaffun­g“gegenüber. Auch das klare Votum des schottisch­en Regionalpa­rlaments, das seine Zustimmung zum Brexit-Gesetz verweigert hatte, wird nichts mehr ändern.

Theresa May wird das einfach ignorieren. Sie hat jetzt die uneingesch­ränkte Macht, den Austritt so zu gestalten, wie ihr Weißbuch das vor einer Woche vorgestell­t hatte, und einen harten Brexit zu verfolgen.

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FOTO: RTR Regierungs­chefin Theresa May.

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