Landesbeschäftigte: „Jetzt ist Zahltag“
7000 Staatsbedienstete folgen dem Aufruf Frank Bsirskes und demonstrieren in Düsseldorf für sechs Prozent mehr Lohn.
DÜSSELDORF Der Verdi-Chef bahnt sich seinen Weg durch die Menge vor dem Düsseldorfer Landtag. Erst will die Verdi-Jugend ein Foto mit Frank Bsirske, dann eine Gruppe Feuerwehrleute, dann mehrere Justizbeschäftigte. Bsirske ist ein gefragter Mann an diesem Vormittag auf der Wiese zwischen NRW-Parlament und Stadttor.
Die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft hat gemeinsam mit dem Beamtenbund (DBB), der Lehrer-Gewerkschaft GEW und der Polizeigewerkschaft GdP zu einem Warnstreik der Landesbeschäftigten aufgerufen. 7000 Menschen sind nach Polizeiangaben diesem Ruf gefolgt.
Bsirske geht von Gruppe zu Gruppe, nimmt sich Zeit für seine Mitglieder, lächelt geduldig in Handy- und Spiegelreflexkameras, begrüßt alte Bekannte. Basisarbeit ist fester Bestandteil seines Aufgabenkatalogs. Ebenso das Halten feuriger Reden. Doch an diesem Mittag ist der Gewerkschaftschef vergleichsweise zurückhaltend, überlässt das Ressort Attacke DBB-Vize Willi Russ, der den „Schluck aus der Pulle“fordert und davon spricht, dass jetzt „Zahltag“für die Landesbeschäftigten sei.
Doch wieso die ungewohnte Zurückhaltung Bsirskes? Der Gewerkschaftschef muss einen Spagat vollführen: Einerseits sind die Gespräche mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) im Vergleich zu vorangegangenen Jahren nahezu geräuschlos verlaufen. Die Zeiten, in denen ein Verhandlungsführer Hartmut Möllring antrat, um den Gewerkschaften das Genick zu brechen, sind vorbei. Teilnehmer sprechen gar von einer „konstruktiven Frank Bsirske Gesprächsatmosphäre“. Andererseits darf angesichts der massiven Warnstreiks, mit denen Verdi und Co. derzeit das Land überziehen, ja nicht der Eindruck entstehen, als sei alles längst in trockenen Tüchern und die Streiks Tarif-Folklore zur Mitgliedergewinnung. Deshalb erleben die Gewerkschafter einen VerdiChef mit angezogener Handbremse. Mit Blick auf die dritte – und wohl auch letzte – Gesprächsrunde Ende kommender Woche ruft er: „Der Ausgang ist völlig offen. Die Ver- handlungen treten auf der Stelle.“Tatsächlich sind die Arbeitgeber ein Angebot schuldig geblieben. Sie wiederholen gebetsmühlenartig, dass die Forderung von sechs Prozent zu hoch sei.
Eigentlich sollte es eine reine Lohnrunde werden. Doch Verdi ist eine Basis-getriebene Organisation. So kamen Schritt für Schritt Wünsche hinzu: Ausschluss sachgrundloser Befristungen, die Zahlung einer echten Ausbildungsvergütung für junge Menschen, die sich in einer schulischen Ausbildung befinden – etwa Physiotherapeuten oder Pflegekräfte. Eine unbefristete Übernahme nach der Ausbildung. Auch eine soziale Komponente soll es geben, also einen festen Mindestbetrag, der die unteren Gehaltsgruppen überproportional besser stellt. Zudem soll eine zusätzliche Erfahrungsstufe für bestimmte Entgeltgruppen eingeführt werden. Bsirske selbst spricht von „einem bunten Paket“.
Dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können, ist auch ihm klar. Auf die Frage, ob die Ausbildungsvergütung für die Schüler oder die soziale Komponente eine rote Linie seien, reagiert er ausweichend: „Wir wollen Verbesserungen für die Jungen erreichen. Am Ende muss das Bestandteil einer ausbalancierten Lösung sein.“Und wenn die Arbeitgeberseite weiter blockiere? „Wir sind in der Lage zu eskalieren, und haben im vergangenen Jahrzehnt wiederholt bewiesen, dass wir einen Arbeitskampf der Landesbeschäftigten problemlos durchführen können. Wir suchen aber eine Lösung am Verhandlungstisch.“