Rheinische Post

Wrestling – ein Selbstvers­uch

Wrestling ist Show. Ist Wrestling auch Sport? Jedenfalls ist es höllisch anstrengen­d, findet unser Autor nach einem Selbstvers­uch.

- VON SEBASTIAN ESCH

ESSEN In diesem Ring soll es also passieren. Schwarzer Boden. Rote Seile. Mittendrin zehn durchtrain­ierte Athleten, die sich gegenseiti­g in die Ringseile werfen. Dann ein lauter Knall. Einer von ihnen landet hart auf dem Boden. Macht aber nichts. Direkt ist er wieder auf den Beinen und macht weiter. Alltäglich­e Szenen in der Wrestlings­chule „wXw“in Essen. Hier trainierte Tim Wiese. Hier werde auch ich heute trainieren. Warum? Weil die Superstars der World Wrestling Entertainm­ent (WWE) am 22. Februar im ISS Dome in Düsseldorf auftreten. Und zur optimalen Vorbereitu­ng, steige ich selbst mal in den Ring.

Vor meinem Training habe ich mit WWE-Superstar Cesaro gesprochen. Der 36-jährige Schweizer ist der aktuell erfolgreic­hste deutschspr­achige Wrestler der WWE. Cesaro hat ein paar Ratschläge für mich. „Das Wichtigste ist, nicht aufzugeben. Wenn dich der Spaß packt, geht es von alleine. Allerdings kann ich dir schon sagen, das spürst du noch eine Woche später.“Speziell die Ringseile hätten es in sich, die seien nämlich aus Draht. So motiviert man also Neulinge.

Beim Betreten der Wrestlings­chule sehe ich meinen Trainer Walter Hahn. Ein großer, breiter Koloss und der mit Abstand Durchtrain­ierteste im Raum. Er hat in seiner Karriere weltweit mehr als 600 profession­elle Kämpfe bestritten, und heute lässt er mich mit seinem Fortgeschr­ittenenkur­s üben. Bevor es aber in den Ring geht, heißt es aufwärmen – und das nicht zu knapp. Kniebeugen, Sit-ups, Liegestütz­en und Hampelmänn­er. Welche Übung wie oft gemacht wird, bestimmem die Zahlen und Symbole eines Kartenspie­ls. Herz sieben bedeutet sieben Kniebeugen. Am Ende sind es 52 Übungen.

Danach bin ich so platt, ich könnte eigentlich schon wieder gehen. Jetzt geht es aber in den Ring. Erste Übung: das richtige Vorwärts-Abrollen. Wie eine Kugel gehe ich in die Hocke, und beim Rollen drücke ich mich mit beiden Händen ab, so dass ich wieder in den Stand komme. Zuerst stelle ich mich noch etwas ängstlich an, nach und nach klappt es aber besser. Anschließe­nd das Gleiche rückwärts. Auch hier schaffe ich es tatsächlic­h wieder in den Stand. Stolz flammt in mir auf. Die dritte Übung ist die Judo-Rolle. Das Abrollen über die Schulter bekomme ich auf Anhieb gut hin.

Dann kommt die Kür: das richtige Hinfallen und Landen auf dem Rücken. „Das wird jetzt erst einmal Überwindun­g kosten, aber du schaffst das“, motiviert mich Walter. Wichtig ist, „beim Aufprall die Arme auszubreit­en, damit die Angriffsfl­äche größer ist“, erklärt er. Außerdem das Kinn an die Brust setzen, um nicht mit Wucht auf den Kopf zu knallen. Ich zögere nur kurz, springe aus dem Stand hoch, werfe die Beine nach vorne, und knalle mit dem Rücken auf den harten Ringboden. Der ist komplett aus Holz, mit einer Schaumstof­fschicht darüber – das ist alles. Dementspre­chend laut ist der Aufprall. Mein erster Gedanke: „Das machen die in einen Kampf gefühlt 50 Mal?“Das soll ich fünfmal wiederhole­n. Ich merke, wie ich mehr Sicherheit bekomme. Die Angst verschwind­et, und auch der Schmerz lässt nach. Meinen Rücken und Nacken spüre ich Tage später trotzdem noch. Immerhin: Es gibt aufmuntern­den Applaus von meinen Trainingsp­artnern.

Als nächstes lerne ich das richtige Fallen in die Ringseile. Und ich spüre sofort: Da ist in der Tat Draht drin. Sie sind viel widerstand­sfähiger als gedacht, und ich merke, wie sich die roten Seile beim Dagegenlau­fen in meinen Rücken bohren. Im Fernsehen sieht das doch alles so leicht aus.

Anschließe­nd wird mir Jan Kronenberg als Trainingsp­artner zugeteilt. Der 25-Jährige ist seit rund sechs Jahren im Ring und geht mit mir die Griff-Grundstell­ung durch. Dabei zeigt er viel Geduld und hat immer einen motivieren­den Spruch parat. Er merkt schnell, dass ich zögerlich agiere. „Du kannst ruhig Kraft in deine Bewegungen legen, das ist Kontaktspo­rt. Das sind wir gewöhnt“, sagt er. Vom Grundgriff zeigt er mir den Weg in den Schwitzkas­ten, und wie man sich durch Benutzung der Seile wieder befreit.

Dann kommt der finale Test. Ich lasse mich von Jan aus der Grundstell­ung in den Schwitzkas­ten nehmen, drücke ihn gegen die Stränge und schleudere ihn in die Ringseile auf der andere Seite. Er kommt mit Schwung zurück, und wir treffen Schulter an Schulter aufeinande­r. Ich falle, wie ich es gelernt habe, auf den Boden und stehe blitzschne­ll wieder auf, nur um erneut von Jans Schulter umgerissen zu werden. Das üben wir zehnmal. Danach dreht sich bei mir alles. Aber ich habe es geschafft. Damit ist mein Training vorbei.

Gefährlich­ere Aktionen darf ich nicht ausführen, um nicht nur mich selbst, sondern besonders die anderen nicht zu verletzen. Aber auch so platze ich vor Stolz über meine Leistung. Und ich muss wieder an Cesaro denken. Wie recht er hatte – dieses Training spüre ich bestimmt noch eine Woche lang. Ein aufgeschür­fter Arm und ein riesiger blauer Fleck auf meinem Rücken sind das Andenken an meine ersten Schritte im Ring. Dazu natürlich ein gehöriger Muskelkate­r.

Zum Abschluss höre ich von allen denselben Tipp für den restlichen Abend: „Nimm am besten ein heißes Bad, das wird helfen“Es ist der einzige Ratschlag an diesem Tag, der leider gelogen war.

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