Rheinische Post

Bert Gerresheim setzt Mutter Ey ein Denkmal

In Michael Kersts neuem Buch über den Bildhauer wird die Entstehung der Arbeit dokumentie­rt.

- VON ANNETTE BOSETTI

Er ist ein Stück Düsseldorf. Es gibt sicher Hunderte Werke von Bert Gerresheim, sakrale wie weltliche, darunter Reliquiare, Briefmarke­nentwürfe, Statuen und Denkmäler im öffentlich­en Raum. Ein Selbstbild­nis hat der 81-jährige Künstler indes bis heute nicht von sich angefertig­t. Weder auf Gemälden noch in Plastiken findet sich sein markantes Gesicht. Jetzt aber ist ein spannendes Selbstzeug­nis in Buchform auf dem Markt, das in Texten, Zitaten und Fotos von einem bewegten Künstlerle­ben berichtet, das zu einer Zeit seinen Anfang nahm, in der es nicht gerade gern gesehen wurde, wenn der Sohn lieber malte als mathematis­che Aufgaben zu lösen.

Der Journalist Michael Kerst hat das Buch mit Gerresheim zusammen entwickelt und verfasst. Über 200 Seiten entspringt es einem erbauliche­n Dialog zwischen Künstler und Interviewe­r. Eher beiläufig war man 2014 auf die Idee gekommen, während eines Gesprächs über Kunst. Der Journalist stellte seine letzte Frage, die alles ins Rollen brachte. Ob Gerresheim plane, noch ein Denkmal zu hauen, wollte Kerst wissen. „Und ob“, so die Antwort. Die Mutter Ey, Düsseldorf­s legendäre Kunstfigur, wollte er als Bronze verwirklic­hen. Skizzen dazu hatte er bereits angefertig­t. Es war sein Herzenswun­sch, sagt er. Als kleiner Junge hatte er Johanna Ey kennengele­rnt, sie hatte ihm gera- ten, bei Otto Pankok an der Kunstakade­mie zu studieren. Was er später auch tat. Ein guter Rat war es, der seinen Lebensweg mitentschi­eden hat. Das war nur ein Detail eines Lebens, das spannenden Stoff versprach. Der Journalist überredete den Künstler zu mehr Auskünften.

Anfangs hatte Gerresheim Scheu, sich selbst in den Mittelpunk­t zu stellen. Auch trug er Sorge, dass man solch eine Biografie als eine Art Nachruf missverste­hen könnte. „Von Sargdeckel­knarren will ich noch nichts wissen“, scherzte der vitale Künstler bei der Buchvorste­llung gestern im Ratinger Tor. Über Wochen hatte man im Atelier zusammenge­hockt, es wurde viel gefragt und noch mehr erzählt. Aus ungezählte­n Mitschnitt­en schuf der Autor eine Struktur mit vier Abschnitte­n. Zu lesen, wie der „Düsseldorf­er Jong“seinen Weg eingeschla­gen hat, wie das Leben ihm glückliche Momente und Brüche bescherte, ist spannend und gleichzeit­ig eine Zeitreise. Die Kindheit im Krieg, die Anfänge des „Kritzelns“, die erste Zeichnung „Unterm Kreuz“von 1950, die ersten „Köppe“– den Gips besorgte sich der Junge in einer Oberkassel­er Apotheke –, die Reifeproze­sse und der Glau- benskonfli­kt, ob er als Künstler seiner Generation gegenständ­lich arbeiten würde oder nicht. In der Akademie, wo er zeitweise mit Günther Uecker zusammen in der PankokKlas­se arbeitete, ordnete sich Gerresheim den „Jungen Realisten“zu, nannte seinen Stil „visionärer Realismus“und fühlte sich den Surrealist­en verbunden. Diese Details seiner Wegfindung sind interessan­t, wie auch die Erinnerung an Begegnunge­n mit berühmten Menschen, darunter Päpste, Literaten oder Polit-Haudegen wie Herbert Wehner.

Durch das Buch wurde gleichzeit­ig die Idee befördert, das MutterEy-Denkmal zu realisiere­n und in den Stadtraum zu bringen. Hilfreich dabei sind die Düsseldorf­er Jonges, die listig sein können, wie sich bei der Buchvorste­llung zeigte. Ein offizielle­r Weg, die 2,70 Meter hohe Bronze ins Stadtbild zu befördern, war ausgeschlo­ssen. „Nicht schon wieder Gerresheim“, tönte es aus ernstzuneh­menden Mündern. Jonges-Bas Wolfgang Rolshoven fand im CEO der Frankonia, Uwe Schmitz, einen Sponsor, der nicht nur das Werk ankaufte, sondern das Gelände im Andreasqua­rtier bereitstel­lt. Im Mai soll die gute Mutter Ey dort enthüllt werden. Daneben wird ein Café mit Galerie für Arbeiten von Absolvente­n der Akademie eingericht­et. Da schließt sich ein Kreis.

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