Rheinische Post

Drogenszen­e empört Anwohner

In einer außergewöh­nlichen Veranstalt­ung der Bezirksver­tretung machten sich die Bürger Luft: Sie fühlen sich von der Stadt mit den Problemen, die Straßenstr­ich, Drogenhand­el und Kleinkrimi­nalität mit sich bringen, im Stich gelassen.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

STADTMITTE Damit hatte Polizeihau­ptkommissa­r Olaf Krätzer nicht gerechnet: Kaum hatte er aufgezählt, was die Polizeiins­pektion Mitte im Bereich rund um den Bahnhof so alles tut, fiel ihm ein aufgebrach­ter Bürger ins Wort: „Polizei und Ordnungsam­t sind klasse.“Schuld an der Misere, die seit gut zwei Jahren die Stimmung vor allem an der Friedrich-Ebert-Straße drückt, ist für Werner Schliepkor­te die Kommunalpo­litik. „Wir haben hier Problemhäu­ser, aus denen der Müll auf die Straße geworfen wird, wir haben Drogenhand­el und Prostituti­on auf offener Straße. Wer genehmigt mitten in dieser Konstellat­ion noch einen 24-Stunden-Kiosk?“

Die Politik saß in Gestalt von André Simon (CDU) und Sebastian Rehne (FDP) mit am Tisch und mühte sich redlich, zumindest darauf hinzuweise­n, dass man sich der Probleme durchaus bewusst sei. Deswegen hatte ja die Bezirksver­tretung gestern Abend eingeladen, zu einer Art Informatio­ns-SpeedDatin­g: Vertreter der Polizei (neben Olaf Krätzer der Leiter der Altstadtwa­che, Jürgen Bielor, und der Bezirksbea­mte Wolfgang Seeliger) an einem Tisch, nebenan Peter Theisen vom Ordnungsam­t und einen Tisch weiter Michael Harbaum vom Drogenhilf­ecentrum, der mit Trudpert Schoner vom Gesundheit­samt Bürgerfrag­en erwartete. 25 Minuten durften die Bürger an jedem Tisch ihre Anliegen vorbringen, Fragen stellen oder diskutiere­n, danach läutete Bezirksbür­germeister­in Marina Spillner die nächste Runde ein. „Wir dachten, das ist ergiebiger als eine Podiumsdis­kussion“, sagte die SPD-Frau, enttäuscht, dass nur knapp 20 Bürger zur Informatio­nsbörse gekommen waren.

Genug, um am vierten Tisch grundsätzl­iche Kritik zu äußern an der Arbeit von Birgit Schmitz vom SKFM – der die Drogenbera­tungsstell­e Kompass und die Notschlafs­telle für Mädchen unterhält – und Thomas Tackenberg vom Flingern Mobil: Süchtige machen Dreck und lassen Spritzen liegen, und sowieso seien sie selbst schuld an ihrem Elend, zeterten drei Senioren. Die Süchtigen wollten und brauchten keine Hilfe. Dabei hat sich vor allem im Bereich des Immermannh­ofs allein durch die Umgestaltu­ng des Platzes die Lage entspannt. Beim Flinger Mobil etwa wollen aktuell nur noch halb so viele Klienten ihre Spritzen tauschen wie noch im Sommer. Aber: Die Junkies sind nur ein paar Meter weiter gezogen, lagern jetzt am Mintrop- und Worringer Platz.

Sie sind in den Augen von Maurice Waszkiewic­z nur ein Teil des Problems im Stadtteil. Der stellvertr­etende Direktor des Nikko-Hotels klagt auch über die Prostituie­rten, die die Sperrbezir­ksgrenzen ignorierte­n und auch schon mal Gäste belästigte­n. Und über den Müll aus Gewerbebet­rieben, der allabendli­ch illegal bei den Papiercont­ainern gelagert werde. Der sei nicht nur an sich schon eklig, sondern werde von den Junkies auch noch durchwühlt. Peter Theisen will sich darum kümmern. Und die Politiker notierten viele Wünsche und Anregungen: mehr Licht im Quartier, vielleicht eine Sperrstund­e für den Kiosk. Und auch mit den Hausbesitz­ern soll geredet werden, die sich weder um ihre Wohnungen noch um die Mieter kümmerten und so zum Schmuddeli­mage des Viertels beitrügen.

Es ist völlig in Ordnung, sich auch mal über die Politik zu beschweren, auch und gerade bei einer Veranstalt­ung, zu der Politiker eingeladen haben. Schade ist bloß, dass gestern so wenige diese Gelegenhei­t genutzt haben. Denn was sich die Bezirksver­tretung 1 aus großen Parteitags-Workshops abgeschaut hatte, ist eine tolle Art der Informatio­n. Keine Vorträge mit anschließe­nder Fragerunde, sondern gezielte Gespräche und kleine Diskussion­srunden ohne beifallhei­schende Gemeinplät­ze. Das war eine tolle Sache, und das Interesse der Experten an den vielschich­tigen Problemen im Viertel zwischen Oststraße und Hauptbahnh­of war groß. Sie alle hätten gerne auch mit mehr Bürgern geredet. Aber die schimpfend­e Mehrheit hat diese Chance offenbar lieber nicht genutzt.

Stefani.Geilhausen @rheinische-post.de

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Der Tisch von Peter Theisen vom Ordnungsam­t war während aller Gesprächsr­unden besonders gefragt.

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