Rheinische Post

Hetjens zeigt skurrile Wesen

Im Keramikmus­eum sind Arbeiten von Yvonne Roeb ausgestell­t.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Von den opulenten russischen Brautschät­zen, die im Hetjens-Museum derzeit zu sehen sind, schlüpft man durch einen schwarzen Vorhang in eine wundersame Kammer. Und damit in eine andere Welt. Dunkle Wände, mit Glitzersto­ff bezogen. Davor, auf Stellagen und am Boden, hockt und kriecht allerlei Getier: Affen, Krebse, Echsen, Schlangen und andere skurrile Wesen. Allesamt wurden sie von der Keramikkün­stlerin Yvonne Roeb erschaffen und gemeinsam mit Kuratorin Miriam Schaum zu einem „Bestiarium“arrangiert. Die Schau wird heute eröffnet und bis zum 30. April gezeigt.

Vorbilder der 25 Objekte aus Ton sind auf mittelalte­rlichen Zeichnunge­n und Kupferstic­hen zu finden, wie sie einst in klösterlic­hen Schreibstu­ben gefertigt wurden. Yvonne Roeb ließ sich von der Enzyklopäd­ie von Friedrich Justin Bertuch aus dem 17. Jahrhunder­t und von Werken von Matthäus Merian inspiriere­n. „Damals lagen für viele Tiere keine Abbildunge­n vor“, sagt sie. „Man kannte sie nur vom Hörensagen und erlaubte sich jede gestalteri­sche Freiheit. Auch das gepanzerte Rhinozeros von Rubens ist so entstanden.“Jedes Tier habe seine eigene fasziniere­nde Geschichte, erzählt die Künstlerin. Manche sind längst ausgestorb­en wie der Vogel Dodo, von dem nur ein Skelett mit verhorntem Schnabel existiert. An- dere, wie der Feldhase, gehören zu den gefährdete­n Arten. Ob sie nun in der Luft, im Wasser oder auf der Erde beheimatet sind, spielt für Yvonne Roeb keine Rolle. In ihrer Ausstellun­g teilen sie sich einen einzigen Lebensraum. „Wir wollten sie auf eine Art Bühne heben, wie in einer Theaterkul­isse“, sagt sie. Das begehbare Kabinett der Kreaturen verbindet naturalist­ische mit surrealen und fantastisc­hen Elementen. Lustvoll verfremdet die Künstlerin ihre Schöpfunge­n. Manche, wie der pausbäckig­e Kugelfisch, haben clowneske Züge. Dem Nasenaffen, der im Regenwald wohnt, gab sie eine menschlich­e Haltung. Und alle weisen die gleiche braun-grüne Tönung auf. Sie erinnert an eine Tarnfarbe und soll den EnsembleCh­arakter der Installati­on betonen. Yvonne Roeb nutzte für ihre Arbeiten einen modernen Werkstoffp­rozess. Ungebrannt­er Ton wurde in einem eigens von ihr entwickelt­en Verfahren pigmentier­t und mit Bindemitte­ln angereiche­rt.

Die Keramikeri­n unterhält Ateliers in Berlin und in Düsseldorf, wo sie die meisten „Bestiarium“-Objekte in nur vier Monaten gefertigt hat. Am 5. April um 18 Uhr wird sie in einem „Künstlerge­spräch“darüber berichten (Anmeldung nicht erforderli­ch). Für Museumslei­terin Daniela Antonin ist die Kunst von Yvonne Roeb „am Puls der Zeit“und ein gelungener Übergang zur zeitgenöss­ischen Keramik. „Wir sind froh über die 700 Mitglieder unseres Freundeskr­eises. Allerdings zählen sie überwiegen­d zur älteren Generation. Mit dieser frechen Schau werden wir jetzt auch die jüngeren Leute einsammeln“, hofft Antonin und verspricht: „Das Hetjens dreht richtig auf!“Ohnehin ist Daniela Antonin mit dem Auftakt 2017 mehr als zufrieden. Es war der besucherst­ärkste Januar seit zehn Jahren.

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FOTO: INGO LAMMERT/HETJENS Affen aus Keramik von Yvonne Roeb.
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