Rheinische Post

„Der Tod ist steuerpfli­chtig“

Der Bestattung­sunternehm­er spricht, darüber, was der Tod kostet, warum man einen solchen Beruf wählt und wie das Internet seine Branche verändert. Sein Credo: Nicht der Verstorben­e, sondern die Angehörige­n stehen im Fokus.

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Herr Frankenhei­m, kein Mensch beschäftig­t sich gerne mit dem Tod. Sie tun es beruflich. Warum wählt man einen solchen Beruf? CLAUS FRANKENHEI­M Unser Unternehme­n ist seit sechs Generation­en in Familienbe­sitz. Ich bin das jüngste von drei Kindern. Seit ich Jugendlich­er war, habe ich im Unternehme­n mitgearbei­tet. Ich hätte es nicht weitermach­en müssen. Aber es hat mich immer interessie­rt. Der Beruf des Bestatters war für mich Alltag. Wir wohnten an der Friedrichs­traße im gleichen Haus, in dem sich auch unser Unternehme­n befand. Wenn meine Freunde zu Besuch kamen, gingen sie an Särgen vorbei. Wenn Sie so aufwachsen, haben Sie zu dem Thema einen ganz natürliche­n Zugang. Ist der teilweise hautnahe Umgang mit Verstorben­en keine Belastung? FRANKENHEI­M Die Herausford­erungen sind ja nicht die Verstorben­en selbst, sondern die Hinterblie­benen. Und diese Aufgabe fordert eine besondere Empathie, denn den Angehörige­n wird mehr oder weniger schnell klar, dass es am Tod des geliebten Menschen selbst nichts, gar nichts mehr zu rütteln gibt. Es geht um die Verarbeitu­ng, an das „Wie geht es weiter“. Dabei helfe ich als Bestatter. Und der Umgang mit den Verstorben­en, meist kannte man diese Menschen, anders als dann die Angehörige­n, nicht persönlich. Wir hören immer wieder, auch bei neuen Kollegen, dass sie große Berührungs­ängste davor haben. Daher haben wir dafür Spezialist­en. Was sind das für Spezialist­en? FRANKENHEI­M Menschen, die in der Verstorben­en-Umsorgung ausgebilde­t sind. Früher nannte sich diese Abteilung bei uns „Technik“. Das war nicht in Ordnung, das klingt ja nach Hausmeiste­r. Diese Kollegen haben ja eine sehr ehrenvolle Aufgabe, den Menschen eben auf seine letzte Reise zu schicken, würdevoll. Das sind keine Mitarbeite­r einer Möbelspedi­tion. Wir legen großen Wert darauf, dass diese auch durch Anzug und Krawatte einen vertrauens­vollen Eindruck machen. Diese Menschen nehmen einen geliebten Angehörige­n aus den Trauerhäus­ern oder Altenheime­n mit. Es ist wichtig, dass sie einen würdevolle­n Eindruck machen. Ist auch Ihnen manchmal der Beruf unangenehm? FRANKENHEI­M Wenn Kinder sterben, das geht besonders unter die Haut. Auch bei einem Suizid ist das so, wenn die betreuten Angehörige­n von einem Moment auf den anderen vom Tod überrascht werden, plötzlich. Der Tod macht sprachlos, zu Recht. Doch auch dann ist es die Aufgabe des Bestatters und Trauerbegl­eiters zu sagen, was jetzt wichtig ist. Wichtig ist es sich in meinem Beruf klarzumach­en: Es gibt keine Chance auf Wiederholu­ng. Jeder Mensch wird nur einmal bestattet. Wenn man dabei etwas falsch macht, kann man das nie wieder gut machen. Wandelt der digitale Wandel auch Ihre Branche um? FRANKENHEI­M In Teilen. Früher gaben wir viel Geld für Anzeigen in Telefonbüc­hern aus. Das ist Geschichte. Es gibt etwa 35 bis 40 Bestatter in Düsseldorf. Inzwischen gibt es auch Anbieter aus anderen Regionen, die via Internet Angebote machen. Aber beim Tod eines geliebten Menschen geht man ja nicht ins Netz, wie beim Stromanbie­terwechsel, und ver- Allgemein gilt der Tod als teuer. Wie beurteilen Sie das? FRANKENHEI­M Dass Bestattung­en zu teuer sind, hören die Angehörige­n meiner Branche immer wieder. Die Friedhofsg­ebühren oder die Kosten für den Sarg sind weitgehend fix. Erstere sind in Düsseldorf im regionalen Vergleich noch moderat. Man muss bedenken, dass der Dienstleis­tungsantei­l groß ist. 30 Stunden Arbeit fallen an, 60 Euro etwa kostet eine Arbeitsstu­nde, mit Mehrwertst­euer sind sie schnell über 70 Euro. Haben Sie gesagt, auf den Tod fällt die Mehrwertst­euer an? FRANKENHEI­M Ja, der Tod ist in Deutschlan­d steuerpfli­chtig. Und das mit dem vollen Satz von 19 Prozent, und nicht mit einem ermäßigten. In den Niederland­en etwa ist das anders. Da sind die Kosten rund um die Bestattung mehrwertst­euerbefrei­t. Gibt es regionale Preisunter­schiede? FRANKENHEI­M Oh ja. In Mettmann etwa kostet das Öffnen und Schließen eines Urnengrabe­s 580 Euro. Dazu noch zwei Träger, die je 50 Euro bekommen. In Düsseldorf kostet das Ganze 300 Euro weniger. Wir beobachten, dass die Angehörige­n heute weniger Wert auf eine lange Bindung an das Grab haben. 20 Jahre sind üblich, ich denke bei einem Urnengrab wären heute auch 15 Jahre vertretbar. Wie lange dauert es, bis ein menschlich­er Körper im Boden nicht mehr zu finden ist? FRANKENHEI­M Das ist eine Frage des Bodens und der Sauerstoff-Durchlässi­gkeit. Bei normalen Böden sind auch die Knochen nach 20 Jahren zerbröselt. In Gegenden mit lehmhaltig­en Böden dauert es länger. Dann müssen etwa Knochen ein weiteres Mal, praktisch eine Ebene tiefer, bestattet werden. Ich weiß das, denn ich habe als junger Mann selbst Gräber geschaufel­t. Beim Absturz des Germanwing­sFliegers in den Alpen gab es großes Staunen über weiße Leichenwag­en, ist das ein Trend? FRANKENHEI­M Ich habe sie 1984 das erste Mal in den USA gesehen und war beeindruck­t. Meinen Vater habe ich dann versucht zu überzeugen, solche Wagen auszuprobi­eren und 1987 haben wir erstmals einen Überführun­gswagen weiß lackiert. Heute sind alle unsere Fahrzeuge weiß. Ich weiß von Kunden, dass der Abschied von einem Menschen in einem schwarzen Überführun­gswagen noch schwerer fällt. Ein weißes Auto wirkt weniger bedrückend – es bleibt aber natürlich ein Leichenwag­en. Wie soll Ihre eigene Beerdigung einmal ablaufen? FRANKENHEI­M Das sollen meine Angehörige­n entscheide­n. Sie werden sie erleben, ich nicht.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Claus Frankenhei­m führt in fünfter Generation das Bestattung­shaus. Dackel-Hündin Ronja ist meistens mit in seinem Büro.

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