Giftwolke über Oberhausen
Nordrhein-Westfalen
OBERHAUSEN Es ist kurz vor 8 Uhr am Morgen, als die Oberhausener Polizei Gewissheit hat. „Die Wolke kommt nicht von der Müllverbrennungsanlage, sondern vom gegenüberliegenden Chemiebetrieb“, meldet die Polizei auf ihrer Facebookseite. Umgehend werden Straßensperren in der Umgebung eingerichtet, die Autobahn 42 wird in dem Bereich abgeriegelt. Auch der Bus- und Bahnverkehr wird eingestellt. 30 Züge werden vor der Oberhausener Stadtgrenze gestoppt. Die Anwohner werden aufgerufen, Türen und Fenster geschlossen zu halten und nicht nach draußen zu gehen. Die sichtbare Wolke sei säurehaltig und gesundheitsgefährdend, melden die Behörden. Schnell dehnt sie sich mehrere hundert Meter weit aus, legt sich wie eine Dunstglocke über Teile der Stadt.
Ursache für den Unfall war bisherigen Ermittlungen zufolge wohl menschliches Versagen gewesen. Beim betroffenen Chemikalienhändler „Hamm Chemie“war gegen kurz vor 7 Uhr irrtümlich Salzsäure von einem Schiff in einen Tank mit hochkonzentrierter Schwefelsäure geleitet worden. Der Tank platzte aufgrund der chemischen Reaktion auf, eine Dampfwolke mit einem Gemisch aus Salz- und Schwefelsäure trat aus. 40 Beschäftigte des Händlers und 110 Mitarbeiter eines benachbarten Betriebes klagten über Atemwegsreizungen. Fünf von ihnen mussten ärztlich behandelt werden. Anwohner wurden offenbar nicht verletzt. Nach Angaben des Umweltamtes wurden keine Ge- fahrenstoffe in der Luft nachgewiesen. Für Umwelt und Natur habe zu keinem Zeitpunkt Gefahr bestanden. Auch das Trinkwasser sei nicht kontaminiert worden.
Um die Wolke einzudämmen, beschoss die Feuerwehr sie mit Wasserstrahlen, um die Säure zu verwässern. „Dabei mussten wir aber vorsichtig sein, weil das Säuregemisch mit dem Wasser hätte reagieren können“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr, die mit insgesamt 130 Einsatzkräften vor Ort war, darunter auch Experten für chemische Industrie aus Chemiestandorten in Marl und Leverkusen.
Durch die Teilsperrung der A 42 staute sich der Verkehr im Berufsverkehr auf mehreren Kilometern. Um 13.30 Uhr gaben die Behörden teilweise Entwarnung. Nach und nach wurden die Sperrungen aufgehoben. Die Anwohner durften ihre Häuser verlassen. Auch die Kinder und Jugendlichen in den Kindergärten und Schulen, die zeitweise nicht ins Freie durften, konnten nach Hause gehen.
Die Kriminalpolizei ermittelt noch, wie es genau zu dem folgenschweren Fehler beim Verladen kommen konnte, und vernimmt die Mitarbeiter, von denen die meisten seit vielen Jahren in dem Chemiebetrieb beschäftigt sind. Die Firma schätzt den entstandenen Schaden auf rund 1,5 Millionen Euro und entschuldigte sich bei der Bevölkerung für die Umstände.
Irrtümlich war Salzsäure von einem Schiff in einen Tank mit hochkonzentrierter Schwefelsäure geleitet worden