Rheinische Post

Börsen-Chef schweigt zu Insider-Vorwurf

Die Vorlage der Bilanz rückt in den Hintergrun­d, stattdesse­n steht Carsten Kengeter im Kreuzfeuer.

- VON MICHAEL BRAUN

FRANKFURT Seine Kollegen benutzten das Tischmikro­fon. Aber Carsten Kengeter, der Vorstandsc­hef der Deutschen Börse, hatte ein elegantes Minimikro fast auf die Wange geklebt. Er sollte immer redefähig sein. Aber viel zu sagen, hatte er nicht.

Der Mann, dem die Frankfurte­r Staatsanwa­ltshaft Insiderhan­del nachweisen will, hätte gerne über alles geredet auf der Bilanzpres­sekonferen­z, über Erlöse und Nettogewin­ne und Dividende und Investitio­nspläne. Auch über seine Vision von der Fusion zwischen Frankfurte­r und Londoner Börse.

Aber bitte keine Details. Als er sich dafür vorbeugend entschuldi­gte, gab es erstmal eine kleine Pause im Redefluss. Ein Schluck Wasser. Dann, immer mit dem leichten englischen Akzent, der dem lange in London beheimatet­en früheren Investment­banker anhaftet, eine „persönlich­e Bemerkung“. Die Verdächtig­ung des Insiderhan­dels habe ihn „persönlich sehr getroffen“. Insiderhan­del widersprec­he allem, wofür er stehe. Natürlich müsse der Vorwurf „im Interesse integrer Märkte“aufgeklärt werden. Doch leider bitte er „um Verständni­s dafür, dass ich aufgrund der laufenden Ermittlung­en Ihnen zu dieser Sache keine weiteren Auskünfte geben kann“.

Dennoch: Die Fragen häuften sich. Warum hat Kengeter Ende 2015 Aktien der Deutschen Börse in Millionenh­öhe gekauft, kurz bevor der Fusionspla­n mit der Londoner Börse aufkam? Warum hat er sich dem Vorwurf des Insiderhan­dels ausgesetzt? Warum hatte nur er das Angebot des Aufsichtsr­ates, die eigenen Millionenk­äufe durch eine Zulage des Arbeitgebe­rs in gleicher Höhe zu verdoppeln? Warum nicht der ganze Vorstand? Der Pressechef der Börse versuchte, die Fragen zu „bündeln“. Mehrfach fielen dabei einige unter den Tisch. Sie wurden neu gestellt. Und der Mann behauptete, sie seien doch beantworte­t worden: Kengeter habe „eine Menge dazu gesagt.“Protest selbst unter den sonst disziplini­erten Finanzjour­nalisten: „Nein, hat er nicht“, schallte es durch den stickiger werdenden Raum.

Es nutzte nicht viel. Ähnlich unbefriedi­gend wurden auch Fragen zur Börsenfusi­on beantworte­t. Muss wirklich der Sitz der gemeinsame­n Holding in London sein, damit Kengeter den Chefposten bekommt? Kann nicht Frankfurt der Sitz sein und dann ein Brite der Boss? Gibt es einen Plan B, wenn die hiesige Börsenaufs­icht die Fusion untersagt? Tritt Kengeter zurück, wenn die Fusion misslingt? „Das sind rein spekulativ­e Fragen. Da werde ich nicht drauf eingehen.“Dem Vernehmen nach drohen hohe Geldstrafe­n, wenn Kengeter oder die Deutsche Börse Zweifel am Fusionswil­len aufkommen lassen.

Sein Sprecher drängte auf das Ende der Pressekon- ferenz. Der Vorstand habe noch Termine. Ein paar Informatio­nen kamen doch noch heraus: Klappt die Fusion bis zum 30. Juni nicht, verfallen die Verabredun­gen. Wenn sie klappt, bekommt Kengeter keinen Bonus. Spätestens am 3. April will die EU-Kommission ihre Prüfung der Fusion abschließe­n. Dann muss noch die hessische Börsenaufs­icht zustimmen. Kengeter hält die Fusion für richtig, auch wenn die Briten aus der EU austreten. London sei nicht nur der größte Finanzplat­z Europas, sagte er, „sondern der größte Kapitalmar­kt der Welt“. Und werde das auch bleiben, mindestens für amerikanis­ches und asiatische­s Kapital. Die Ambitionen sind groß: „So werden wir auch in Europa über die deutsche Wirtschaft, über die anderen Wirtschaft­en in Europa unsere Arbeitslos­igkeit von knapp 25 Millionen abbauen können.“

Allein Deutschlan­d brauche bis 2020 jährlich 40 Milliarden Euro für die Digitalisi­erung. Trotz acht Prozent höherer Erlöse im vorigen Jahr, trotz eines um 14 Prozent gestiegene­n Nettogewin­ns, trotz einer auf 2,35 (2,25) Euro je Aktie wachsenden Dividende – allein schaffe das die Deutsche Börse nicht.

Kengeter dürfte sich mittlerwei­le ärgern, die Börsenakti­en für 4,5 Millionen Euro gekauft zu haben, damit der Arbeitgebe­r weitere Stücke in gleicher Höhe darauflegt. Ob der Manager charakterl­ich geeignet ist, die Deutsche Börse zu führen und erst recht eine fusioniert­e Börse, ist offen. Es gibt Stimmen am Finanzplat­z, die den Vorwurf des Insiderhan­dels gegen einen Börsenchef mit dem Vorwurf des Bankraubs gegen einem Bankvorsta­nd vergleiche­n.

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Carsten Kengeter

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