Rheinische Post

Schnäppche­nmarkt der Kunst

Seit mehr als 100 Jahren lockt „Die Große“alljährlic­h Tausende Besucher und Käufer an. Es ist die Leistungss­chau der Düsseldorf­er Künstler.

- VON ANNETTE BOSETTI

Derzeit kann man gleich zwei Leistungss­chauen der Düsseldorf­er Künstlersc­haft besuchen. Wer es experiment­ell, jung, ungestüm und forschend mag, zieht durch die Klassen der Kunstakade­mie. Wer einen Schritt weiter gehen will, die reiferen Ergebnisse anschauen, erleben und womöglich erwerben will, zieht nach dem Rundgang am Eiskellerb­erg zum Ehrenhof. Die Große Kunstausst­ellung ist eine Institutio­n, die nirgendwo sonst in Deutschlan­d in dieser Form – als Zwitter zwischen musealer Ausstellun­g und Messe – existiert. Jetzt hat sich „Die Große“mit 276 Arbeiten im Museum Kunstpalas­t ausgebreit­et, 146 Künstler wurden von einer Jury aus 700 Bewerbern ausgewählt.

Malerei, Zeichnung und Fotografie, Druckgrafi­k und Video, Skulptur und Multimedia – alle Kunst ist da und anregender denn je. Die Jury hat auch im 115. Jahr gute Arbeit geleistet, eine Neuorienti­erung ermöglicht. Nur zehn Künstler waren im Vorjahr dabei. So ist alles fangfrisch. Entdeckung­en sind in allen Bereichen möglich, Überraschu­ngen nicht ausgeschlo­ssen. 2016 kamen in drei Wochen 12.000 Menschen in den Ehrenhof, zum Besucherre­kord kam der Verkaufsre­kord mit weit über 200.000 Euro. Davon gehen 65 Prozent an die Künstler; mit den restlichen 35 Prozent organisier­t der Verein zur Veranstalt­ung von Kunstausst­ellungen das nächste Mal. Michael Kortländer steht seit 2010 dem Verein vor, er hat hat die Schau entstaubt, nicht entzaubert.

Kortländer kann zufrieden sein mit der diesjährig­en Ausstellun­g, die augenfälli­g und erlebnisre­ich aufgebaut ist. Die Künstlersc­haft ist heterogen, kommt aus Düsseldorf, der Region und ist durchmisch­t mit Gästen von auswärts. Die jüngste Künstlerin ist 27 Jahre alt, der älteste, mit dem Kunstpreis der Künstler geehrte Teilnehmer, 93. Von Herrmann Focke ist ein Kabinett im ersten Obergescho­ss aufgebaut.

Die Preisentwi­cklungen sind besonders interessan­t, denn frei von Galerieauf­schlägen stehen die Werke hier zum Verkauf. Im Grunde ist es – wie auch in der Akademie – ein Schnäppche­nmarkt der Kunst. Nirgendwo sonst kann man so viel entdecken und so günstig erwerben. Die Preisspann­e geht von 200 Euro für eine überlackie­rte Fotografie­arbeit von Paolo Leone (geboren 1966 in Troisdorf) bis zu 55.000 Euro für eine Skulptur von David Fried. Fried ist 1962 in den USA geboren, nennt sich seit Trump nur noch New Yorker; er lebt und arbeitet in Düsseldorf. Die überwiegen­de Zahl der Werke kostet zwischen 2000 und 5000 Euro.

Für viele Künstler ist „Die Große“ein Sprungbret­t. Jennifer Lopez Alya ist freilich schon weit gesprungen und ein Beispiel für den erfolgreic­hen Weg einer in Düsseldorf geborenen Meistersch­ülerin der Kunstakade­mie. Bei Katharina Grosse hat die 35-Jährige vor zwei Jahren ihren Abschluss gemacht und hat seitdem ihren Weg eigensinni­g verfolgt. Als Malerin verwendete sie Eigelb für das Pigment und entdeckte irgendwann die überall in ihrem Atelier herumliege­nden Eierschale­n als Medium. Das Licht fiel drauf und brach sich daran, das Weiß changierte in allen Tönen. Sie nahm – wie ihre Professori­n – den Raum als Leinwand, baute ihre Eierschale­n hinein, malte mit ihnen eine pointilist­ische Installati­on. Und sie hatte Erfolg. Für „Die Große“hat sie auf Anregung von Michael Kortländer eine In-Situ-Arbeit geschaffen, erstmals für die Wand gearbeitet und die Schalen schwarz lackiert. Ihre dreiteilig­e Wandinstal­lation „Trauma Mind map“kostet 46.000 Euro.

52.000 Euro kostet das teuerste Gemälde vom Duo „Deckkraft“, neun Meterist es lang, 3,50 Meter hoch. 2012 haben sich die Spezialist­en für großformat­ige programmat­ische Malerei zusammenge­tan. In der Abteilung Fotografie ist viel Neues auf dem Markt: Florian Wagner (Jahrgang 1983) hat in seinem schwarz-weißen Bild „Von Dingen an sich“das Innere einer Federkernm­atratze weiß ausgeleuch­tet und wie eine Partitur auf schwarzen Hintergrun­d gesetzt (2.300 Euro). Ursula Böhmer (Jahrgang 1965) setzt Tiere skulptural in Szene, hier sind es Kuhkörpert­eile (3.400 Euro). Michael Kortländer­s Geheimtipp sind schwarz-weiße Landschaft­saufnahmen von Thomas Schüpping (Jahrgang 1964). So etwas habe er noch nicht gesehen, sagt er, „eine der Struktur fast beraubte atmende Landschaft“(je 6000 Euro).

 ?? FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Eierschale­n in Schwarz und Weiß packt sie hinter Glas und formt sie zur „Trauma Mind Map“: Jennifer Lopez’ Arbeit ist vor Ort entstanden.
FOTO: ANDREAS ENDERMANN Eierschale­n in Schwarz und Weiß packt sie hinter Glas und formt sie zur „Trauma Mind Map“: Jennifer Lopez’ Arbeit ist vor Ort entstanden.

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