Jetz semmer schlauer – über das Platt an der Düssel
Jeck sein – das gehört zu Düsseldorf wie die Kö, der Senf und der Rhein. Gut, nicht jeder, der hier lebt, ist ein Narr. Nicht einmal jeder, der an den Ufern der Düssel geboren wurde. Und trotzdem können sich Einheimische und Zugezogene locker hinter dem Spruch „Wat simmer jeck“versammeln. „Ich gehöre auch dazu“, sagt Heinrich Spohr, Ehrenbaas der „Alde Düsseldorfer“, und lobt die RP-Dokumentation zu den vergangenen 70 Jahren Karnevalsbrauchtum in der Landeshauptstadt. Nur am „i“mit Pünktchen obendrauf stößt sich der Linguist und Autor zahlreicher Bücher rund um das Düsseldorfer Platt.
„Ich habe bei 60 Mundart-Autoren nachgelesen und die Mehrheit schreibt ,semmer’ statt ,simmer’. Und so ist das nördlich der Benrather Linie auch“, sagt der in der Altstadt geborene und in Volmerswerth aufgewachsene Experte. „Simmer“verortet Spohr südlich der mitten durch Düsseldorf verlaufenden „Benrather Linie“. Nördlich dieser wichtigen Sprachgrenze verweigerten sich die (späteren) Düsseldorfer der hochdeutschen Lautverschiebung und blieben unter anderem beim Verb machen beim niederdeutschen „k“(= maken). Die Südländer zwischen Benrath und Garather Schloss zeigten sich aufgeschlossener, sie wandelten das harte „k“ins weichere „ch“(„mache bzw. maache“). „Wie ,mache“ist auch ,simmer’ ripuarisch, also kölnisch“, glaubt Spohr. Und das bereitet einem rheinischen Urgesteinen aus dem Milieu zwischen Uerige und Kö nunmal mittelschwere Bauchschmerzen.
Freilich ist die Welt im „Rheinischen Fächer“, wie die Dialekt-Geographen das Gebiets zwischen Mainz und Kleve nenne, kompliziert. Idealtypisch trennt die Benrather Linie nicht nur „machen“von „maken“, sondern auch „lofen“von „lopen“(laufen) und „Wasser“von „Water“. Doch ein Blick in die Textsammlung „Ons Stadt op Platt“genügt, um festzustellen, dass Autoren aus der Altstadt meist „lo(o)fe“und „Wasser“schreiben und von „Ziet“satt von „Tiet“(Zeit) sprechen. Erst Richtung Kaiserswerth und Angermund bleiben Düsseldorfs Nordlichter halbwegs konsequent bei „lo(o)pen“und sprechen gelegentlich von „Tiet“satt von „Ziet“.
Doch damit ist die Verwirrung noch lange nicht komplett. Immer gab es Forscher, die in der „ek/ech“(ik, ich)-Linie, die bei Uerdingen den Rhein quert und dann durch den äußersten Süden Duisburgs weiter Richtung Osten verläuft, die eigentliche Scheide zwischen den hochdeutschen und niederdeutschen Dialekten erkannten. So gesehen wäre das Düsseldorfer Platt dann doch eher nord-ripuarisch als süd-niederfränkisch.
Wofür sich ebenfalls Belege sammeln ließen. „E Jläske Wing drenke“, sagt man in Düsseldorf ebenso wie in Ratingen, Erkrath oder Hilden. Schon ab Heiligenhaus und erst recht nördlich der Uerdinger Linie trinkt man dagegen keinen „Wing“, sondern „Wien“. Und wer hätte gedacht, dass bereits in Velbert aus dem Düsseldorf und Köln (fast) gemeinsamen „nünn(g)en- drissech“(die Zahl 39) ein derb klingendes „negenendertich“wird? Das Platt zwischen Benrather und Uerdinger Linie ist extrem facettenreich, ein Paradies für die Sprachforscher. Faustregel in diesem „Übergangsgebiet“: Je näher am Rhein und je weiter südlich, umso „ripuarischer“wird es. Je weiter nördlich und vor allem östlich, desto niederdeutscher – siehe „negenendertich“.
So, jetz simmer, Verzeihung semmer, e kleen besske schlauer und ja, das Sessionsmotto hätte – jenseits aller fließenden Übergänge – tatsächlich „Ons kritt nix kleen“statt „Uns kritt nix klein“heißen müssen!