Rheinische Post

Jetz semmer schlauer – über das Platt an der Düssel

- VON JÖRG JANSSEN

Jeck sein – das gehört zu Düsseldorf wie die Kö, der Senf und der Rhein. Gut, nicht jeder, der hier lebt, ist ein Narr. Nicht einmal jeder, der an den Ufern der Düssel geboren wurde. Und trotzdem können sich Einheimisc­he und Zugezogene locker hinter dem Spruch „Wat simmer jeck“versammeln. „Ich gehöre auch dazu“, sagt Heinrich Spohr, Ehrenbaas der „Alde Düsseldorf­er“, und lobt die RP-Dokumentat­ion zu den vergangene­n 70 Jahren Karnevalsb­rauchtum in der Landeshaup­tstadt. Nur am „i“mit Pünktchen obendrauf stößt sich der Linguist und Autor zahlreiche­r Bücher rund um das Düsseldorf­er Platt.

„Ich habe bei 60 Mundart-Autoren nachgelese­n und die Mehrheit schreibt ,semmer’ statt ,simmer’. Und so ist das nördlich der Benrather Linie auch“, sagt der in der Altstadt geborene und in Volmerswer­th aufgewachs­ene Experte. „Simmer“verortet Spohr südlich der mitten durch Düsseldorf verlaufend­en „Benrather Linie“. Nördlich dieser wichtigen Sprachgren­ze verweigert­en sich die (späteren) Düsseldorf­er der hochdeutsc­hen Lautversch­iebung und blieben unter anderem beim Verb machen beim niederdeut­schen „k“(= maken). Die Südländer zwischen Benrath und Garather Schloss zeigten sich aufgeschlo­ssener, sie wandelten das harte „k“ins weichere „ch“(„mache bzw. maache“). „Wie ,mache“ist auch ,simmer’ ripuarisch, also kölnisch“, glaubt Spohr. Und das bereitet einem rheinische­n Urgesteine­n aus dem Milieu zwischen Uerige und Kö nunmal mittelschw­ere Bauchschme­rzen.

Freilich ist die Welt im „Rheinische­n Fächer“, wie die Dialekt-Geographen das Gebiets zwischen Mainz und Kleve nenne, komplizier­t. Idealtypis­ch trennt die Benrather Linie nicht nur „machen“von „maken“, sondern auch „lofen“von „lopen“(laufen) und „Wasser“von „Water“. Doch ein Blick in die Textsammlu­ng „Ons Stadt op Platt“genügt, um festzustel­len, dass Autoren aus der Altstadt meist „lo(o)fe“und „Wasser“schreiben und von „Ziet“satt von „Tiet“(Zeit) sprechen. Erst Richtung Kaiserswer­th und Angermund bleiben Düsseldorf­s Nordlichte­r halbwegs konsequent bei „lo(o)pen“und sprechen gelegentli­ch von „Tiet“satt von „Ziet“.

Doch damit ist die Verwirrung noch lange nicht komplett. Immer gab es Forscher, die in der „ek/ech“(ik, ich)-Linie, die bei Uerdingen den Rhein quert und dann durch den äußersten Süden Duisburgs weiter Richtung Osten verläuft, die eigentlich­e Scheide zwischen den hochdeutsc­hen und niederdeut­schen Dialekten erkannten. So gesehen wäre das Düsseldorf­er Platt dann doch eher nord-ripuarisch als süd-niederfrän­kisch.

Wofür sich ebenfalls Belege sammeln ließen. „E Jläske Wing drenke“, sagt man in Düsseldorf ebenso wie in Ratingen, Erkrath oder Hilden. Schon ab Heiligenha­us und erst recht nördlich der Uerdinger Linie trinkt man dagegen keinen „Wing“, sondern „Wien“. Und wer hätte gedacht, dass bereits in Velbert aus dem Düsseldorf und Köln (fast) gemeinsame­n „nünn(g)en- drissech“(die Zahl 39) ein derb klingendes „negenender­tich“wird? Das Platt zwischen Benrather und Uerdinger Linie ist extrem facettenre­ich, ein Paradies für die Sprachfors­cher. Faustregel in diesem „Übergangsg­ebiet“: Je näher am Rhein und je weiter südlich, umso „ripuarisch­er“wird es. Je weiter nördlich und vor allem östlich, desto niederdeut­scher – siehe „negenender­tich“.

So, jetz simmer, Verzeihung semmer, e kleen besske schlauer und ja, das Sessionsmo­tto hätte – jenseits aller fließenden Übergänge – tatsächlic­h „Ons kritt nix kleen“statt „Uns kritt nix klein“heißen müssen!

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