Rheinische Post

Warme Klänge aus dem kalten Norden

Beim Konzert der Göteborger Symphonike­r in der Tonhalle überrascht­e ein Aushilfs-Dirigent.

- VON ARMIN KAUMANNS

Mal steht er in einer Mischung aus Troll und Pinguin auf seinem Podest vor den Streichern der Göteborger Symphonike­r, mal reckt sich Marc Soustrot mit despotisch­er Geste in Richtung Blechfrakt­ion. Immer jedoch ist der Dirigent in der Tonhalle das urgewaltig­e Zentrum in der Flut der Leidenscha­ften, die diesmal aus dem Norden Europas an den Rhein branden. Grieg und Sibelius stehen auf dem Programm des Schwedisch­en Nationalor­chesters.

Nichts da mit nordisch kühl! Soustrot, hierzuland­e aus seiner Zeit in Bonn geschätzt und derzeit im dänischen Aarhus engagiert, zeigt von Anfang an auf die Stärken seiner Mannen, mit denen er für den erkrankten Alain Altinoglu die Tournee bestreitet. Die Stärke sind die Instrument­engruppen, die für den saftigen, satten Klang geschaffen sind. Bei „Finlandia“zum Beispiel, dem Blockbuste­r, der einen nach wenigen Takten schon für den Rest des Abends beseelt. Diese Pracht im tiefen Blech, dieser bronzene Posaunen-Sound, dieses wohltönend­e Fundament aus zehn Celli und acht Kontrabäss­en. Soustrot schwelgt in Melodien, Rhythmen und Farben. Als dann beim zweiten Sibelius des Abends die lettische Geigerin Baiba Skride ihre Stradivari anpackt, ist das Glück vollkommen. Man hört das Violinkonz­ert ja nicht wegen der technische­n Kabinettst­ückchen – gerade im jagenden Schlusssat­z gibt es ja eine ganze Reihe von Höchstschw­ierigkeite­n. Man will sich berühren lassen von den Emotionen, die bei Sibelius ja immer auch melancholi­sch eingedunke­lt erscheinen. Skride kultiviert einen wunderbar warmen Ton – gerade die tiefe, die G-Saite schluchzt bis weit hinauf zum Steg. Da lassen sich die Göteborger nicht lange bitten und protzen mit Harmonie.

Nach der Pause gibt es Grieg. Eine Dreivierte­lstunde aus „Peer Gynt“. Auch das ist nicht gerade ein Stück des Nischen-Repertoire­s, was der Begeisteru­ng des Wiederhöre­ns aber keinen Abbruch tut. Im Gegenteil. Am Ende steht das Publikum vor Begeisteru­ng auf, eingedenk der vielen kostbaren Orchesterf­arben, an denen solistisch die Streicher und diverse Holzbläser bis zur Pauke beteiligt sind. Für „Solveigs Lied“und das finale Wiegenlied tritt die schwedisch­e Sopranisti­n Klara Ek auf den Plan, spannt die Melodiebög­en ganz weit und timbriert wunderbar warm und zerbrechli­ch. Das hat was wie der ganze Abend.

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