Rheinische Post

Kraft und Laschet zu blass für die Jecken

Die Landespoli­tik spielt selbst im Wahljahr keine Rolle im Karneval. Die Kölner Karnevalis­ten sahen von einer Persiflage ab, weil das Thema derzeit niemanden beschäftig­e. Manche Karnevalis­ten sagen, die Wahl sei zu uninteress­ant.

- VON UWE-JENS RUHNAU UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Es war ein eindeutige­s politische­s Statement, das Hannelore Kraft mit ihrem Kostüm in der ARD-Fernsehsit­zung in Köln-Gürzenich setzte. Als blasse, bröckelnde Freiheitss­tatue schunkelte sie im Publikum mit. Die SPD-Ministerpr­äsidentin zeigte mit ihrer traurigen „Miss Liberty“eindeutig, was sie von der Politik von Donald Trump hält – nämlich nichts.

Um im Karneval aufzufalle­n, müssen die Landespoli­tiker wie Kraft als Freiheitss­tatue Initiative ergreifen. Denn der Karneval selbst nimmt kaum Notiz von ihnen. Die Landtagswa­hl scheint keine Rolle zu spielen im närrischen Treiben. Motivwagen, bei denen Kraft, ihre Minister oder die Opposition mit CDU-Spitzenkan­didat Armin Laschet auf die Schippe genommen werden, sucht man vergebens. Zu langweilig, zu blass, zu farblos, nicht bekannt genug, heißt es bei einigen Karnevalis­ten. Das interessie­re niemanden, meinen manche.

Beim Festkomite­e Kölner Karneval erklärt man das Fehlen von landespoli­tischen Motiven damit, dass die Landtagswa­hl schließlic­h noch Zukunftsmu­sik sei. Man habe sich mit der Thematik Landtagswa­hl beschäftig­t, aber von einer Persiflage abgesehen, sagte Sigrid Krebs, Spre- cherin des Festkomite­es Kölner Karneval. „Die Wahl ist erst im Mai. Im Kölner Rosenmonta­gszug persiflier­en wir jedoch eher die Themen, die die Menschen jetzt aktuell oder in den gerade zurücklieg­enden Wochen bewegen“, sagte Krebs. Stattdesse­n werden Kraft und Laschet beim Kölner Rosenmonta­gszug mitfahren.

Statt auf Landespoli­tik setzt man in Köln vor allem auf den neuen USPräsiden­ten Donald Trump. Natürlich auch auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Und ein bisschen auf Lokalpolit­iker wie Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker (parteilos). „Natürlich könnte man den Wahlkampf in NRW zum Thema machen. Aber mal wirklich: Wen soll das vom Hocker hauen“, heißt es aus Kölner Karnevalsk­reisen.

Für den Düsseldorf­er Wagenbaume­ister Jacques Tilly ist die Landespoli­tik närrisches No Go, will heißen: Sie ist in seinen Augen so adrenalint­reibend wie ein Schlaflied, ihr fehlt jeder Aufregefak­tor, und ohne den geht bei Tilly nichts. „Da gibt es keine großen Themen, keinen echten Zoff und keine Gesichter, die sich lohnen.“Ministerpr­äsidentin Kraft sei „die ewig mürrisch dreinblick­ende Landesmutt­i“, sie hat für Tilly keinen Reiz. Ihr Herausford­erer Laschet, der mit der Sicherheit­spolitik einen letzten vergeblich­en Versuch starte, ein Thema zum Skandal aufzupumpe­n, sei erst recht kein Fall für einen Wagenbau. Er fällt durch den Rost wie viele Minister in Bund und Land, die kein Mensch am Straßenran­d in der gebotenen Sekundensc­hnelle erkenne, wenn er als Karikatur auf dem Wagen vorbeiroll­e.

Tilly hat in den vergangene­n Jahren nur zweimal Mottowagen mit Spitzenpol­itikern des Landes gebaut. Beim ersten Mal musste 2009 der damalige Ministerpr­äsident Jürgen Rüttgers (2009) dran glauben. Weil er Mittel für die Obdachlose­nhilfe gestrichen hatte, war er im Düsseldorf­er Zug als Skinhead zu sehen, der das Cello von Thomas Beckmann zerdrosch, der für die Armen spielt. Kraft und ihre Stellvertr­eterin Sylvia Löhrmann (Grüne) kamen 2011 zu karnevalis­tischen Ehren. Damals flog ihnen der Landesetat um die Ohren, und Tilly hatte den Topf, in dem dieses Süppchen angerührt worden war, explodiere­n lassen und beide Landesmütt­er schwarz eingefärbt.

In Düsseldorf werden die Wagen noch traditione­ll bis zum Rosenmonta­g nicht der Öffentlich­keit gezeigt. Diese Besonderhe­it des Wagenbauer­s Tilly ist dem Düsseldorf­er heilig: Seit 17 Jahren hält er alle politische­n Wagen bis zum Zug geheim, damit dem Oberwagenb­auer weder Politiker noch Anwälte beim Parodieren in den Arm fallen können. Seine Wagen schaffen es regelmäßig in die ARD-„Tagesschau“und sorgen bisweilen auch internatio­nal für hitzige Diskussion­en und diplomatis­che Verwicklun­gen. Provokatio­n ist das Programm des Zuges, dessen Wagen seit 1983 von Jacques Tilly gestaltet werden.

Die Kölner Motivwagen wurden hingegen schon in der vergangene­n Woche der Öffentlich­keit vorgestell­t. So zeigt ein Persiflage-Wagen den US-Präsidente­n Trump, der als Neuling in die Schulklass­e kommt. Neben ihm will niemand sitzen – außer Russlands Präsident Wladimir Putin. Trump gibt sich als Rüpel und greift der Freiheitss­tatue dreist zwischen die Beine. „Diesen Wagen können wir bis Rosenmonta­g noch aktuell ergänzen, durch entspreche­nde Aufschrift­en auf der Schultafel“, sagte Zugleiter Christoph Kuckelkorn.

Ein Motivwagen zeigt die Bundeskanz­lerin, wie sie als Marienkäfe­r hilflos auf dem Rücken liegt. Auch der Chef der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi, bekommt sein Fett weg: Als „Super Mario“hüpft er auf den Zinsen herum und zerdeppert mit einem Hammer das Sparschwei­n der Sparer. Weitere Themen sind der Brexit und die Kölner Oberbürger­meisterin, die ihrer eigenen Verwaltung den Hintern versohlt.

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FOTO: BELIBASAKI­S Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) als „Miss Liberty“.
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FOTO: DPA CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Armin Laschet.

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