0:6, 0:5, 2:9, 1:3, 0:8, 0:5, 0:8*
* Abschneiden des Hamburger SV in den vergangenen sieben Bundesliga-Spielen beim FC Bayern mit 3:44 Toren.
MÜNCHEN/HAMBURG (sid) „Unerträglich“, „ganz schlimm“, „sehr bitter“: Bei der Einordnung der abermals denkwürdigen 0:8 (0:3)Klatsche bei Bayern München überboten sich die Verantwortlichen des Hamburger SV in Dramatik. „Wir haben mit dem Arsch eingerissen, was wir uns in den vergangenen Wochen aufgebaut haben“, sagte Torwart René Adler drastisch, und doch äußerte auch er die Hoffnung, dass dieser „rabenschwarze Tag“(Sportchef Jens Todt) für etwas gut gewesen sein könnte.
Aber wofür? Am Mittwoch (18.30 Uhr), gab Adler zu bedenken, habe der HSV im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach ein „wichtiges Spiel, und dann kommt die ‘crunch time’ im Abstiegskampf. Dann werden wir uns vielleicht daran erinnern, dass es ohne Kampf nicht geht.“So wie in München. 0:8. Null! Zu! Acht! Höher verlor der Liga-Dauerbrenner in bald 54 Jahren im deutschen Fußball-Oberhaus nie.
Am Vormittag nach dem Debakel beim deutschen Rekordmeister arbeiteten die an der Isar so böse verprügelten HSV-Profis nur im Kraftraum in den Katakomben des Volksparkstadions. Lediglich die Reservisten absolvierten einen halbstündigen Waldlauf. Noch in München kam Adler zu der Erkenntnis, dass es wohl doch das Beste sei, dieses Desaster schnellstmöglich „aus den Köpfen zu kriegen“. Trainer Markus Gisdol sah „die Gefahr, dass du das länger mit dir herumträgst“. Deshalb wolle er die Gedanken seiner in München hilf- wie kopflosen Profis „schnell geradeziehen und einen di- cken Strich unter dieses Spiel machen“. Das sei in der Vergangenheit häufiger gelungen.
Die Fans machten es in München vor. Statt ihre Stars verbal abzustrafen, machten sie ihnen mit dem alten Pokalschlachtruf „Wir fahren nach Berlin!“Mut. Mit der Verarbeitung von heftigen Münchner Watschn hat der Bundesliga-Dino ja ohnehin Erfahrung. In den nun vergangenen sieben Gastspielen in der Allianz Arena lautet die Bilanz: Sieben Pleiten, 3:44 Tore.
Aber kann, ja darf man nach einem 0:8 zur Tagesordnung übergehen? Sportchef Jens Todt sagte über das Debakel: „Wir werden in Ruhe darüber reden.“Laut Adler werde „die Aufarbeitung ein bisschen dauern, zu Recht. Und wir werden uns einiges anhören müssen, zu Recht.“
Nach drei Spielen mit sieben Punkten, darunter das 3:0 bei Bayern-Verfolger Leipzig, wähnte sich der HSV auf dem Weg aus dem Keller – doch die Münchner zertraten das zarte Pflänzchen Hoffnung auf brutalste Weise. „Wir waren zu keinem Zeitpunkt ein angemessener Gegner“, gab Gisdol zu, „das schmerzt – und es schmerzt zu Recht“. Adler sprach von einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“.
Auf der anderen Seite beeindruckte vor allem einer: Thomas Müller. Unberechenbar, umtriebig und wirkungsvoll – auch ohne eigenes Tor. „Thomas Müller war der beste Spieler auf dem Platz, er war der Schlüssel“, sagte Carlo Ancelotti, dessen 1000. Pflichtspiel als Trainer zu einem Festtag wurde.
„Es hat richtig Spaß gemacht. Das war das, wonach wir in jedem Spiel suchen, Spielfreude pur. Es lief wie von selbst“, sagte der Weltmeister, der mit seinem Auftritt sogar den Dreierpack von Robert Lewandowski (24./Foulelfmeter, 42., 54.) übertrumpfte. Selbst wenn Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge den Polen danach in die „Kategorie Gerd Müller“einordnete: „Man sieht im Wochenrhythmus, wie klasse er ist – und er ist nie verletzt.“
Nach der verloren gegangenen Klasse suchte dagegen seit Monaten Thomas Müller. Gegen den HSV fand er sie. „Das war seine beste Saisonleistung“, sagte Rummenigge, während Arjen Robben sich als „großer Fan“outete: „Er ist immer wichtig, auch wenn er den Ball mal gar nicht trifft. Alle, die Ahnung von Fußball haben, müssen das sehen.“
Müller legte mit einem Querpass das 1:0 von Arturo Vidal (17.) auf. Er holte den Elfmeter heraus, den Lewandowski zum 2:0 verwandelte. Müller leitete den Angriff ein, den Lewandowski zum dritten Tor vollendete – und er schenkte uneigennützig David Alaba (56.) das 5:0. Zudem trafen Kingsley Coman (65., 69.) und Robben (87.). „Ich habe vielleicht nicht aufs Tor geschossen, aber das kann ich verschmerzen. Vorlagen sind mir genauso wichtig wie Tore“, sagte Müller.