Rheinische Post

Viele Kliniken haben zu wenig Routine

Die AOK kritisiert, dass es in Deutschlan­d nur für sieben Eingriffe Mindestmen­gen gibt. Dabei zeigen ihre Auswertung­en, dass es in Krankenhäu­sern mit wenig Erfahrung schneller zu Komplikati­onen und Todesfälle­n kommt.

- VON TANJA KARRASCH

BERLIN Wenn Ärzte zu wenig Routine haben, kann das für Patienten bei komplexen Eingriffen tödlich enden. Trotzdem führen viele Krankenhäu­ser bestimmte Eingriffe auch ohne Routine durch, wie aus dem Krankenhau­sreport 2017 der AOK hervorgeht. Je häufiger Eingriffe vorgenomme­n würden, desto besser seien die Behandlung­sergebniss­e und desto geringer das Risiko für Patienten, sagte der Vorstandsv­orsitzende des AOK-Bundesverb­andes, Martin Litsch. Nach Angaben der Krankenkas­se ist etwa das Risiko, im Folgejahr einer Bauchspeic­heldrüsen-OP zu sterben, in Krankenhäu­sern mit Ärzten, die nur wenige Eingriffe pro Jahr durchführe­n, um 73 Prozent höher als in Kliniken mit erfahrener­en OP-Teams.

Für sieben komplexe Eingriffe hat der Gesetzgebe­r eine Mindestmen­ge vorgeschri­eben. Danach darf eine Klinik diese Leistung nur anbieten, wenn sie davon eine Mindestanz­ahl pro Jahr durchführt. Bisher ist das bei Nieren- und Lebertrans­plantation­en der Fall, bei KnieOPs sowie bei der Versorgung von Frühchen, Stammzellt­ransplanta­tionen, komplexen Eingriffen an der Bauchspeic­heldrüse und an der Speiseröhr­e.

So soll die Qualität der Eingriffe gewährleis­tet werden und auch eine Spezialisi­erung der Krankenhäu­ser und Ärzte gefördert werden. Ein Krankenhau­s könnte sich also auf Knie- und Hüft-OPs spezialisi­eren, und dafür keine Herz- oder LungenEing­riffe mehr anbieten. „Die Zeiten, in denen angenommen wurde, ein Chirurg müsse Tausendsas­sa sein, sind vorbei“, sagte Hartwig Bauer, ehemaliger Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft der Chirurgie. Für eine planbare OP sollten Patienten auch bereit sein, weiter zu fahren, um von Ärzten mit eingriffsp­ezifischer Erfahrung behandelt zu werden.

Zehn Eingriffe an der Bauchspeic­heldrüse pro Jahr sind Voraussetz­ung, um als Klinik in diesem Bereich operieren zu dürfen. Mindestens 50 Knie sollten operiert und 25 Stammzelle­ntransplan­tationen durchgefüh­rt werden. Doch damit hinkt Deutschlan­d der internatio­nalen Entwicklun­g hinterher. Zum Vergleich: In den USA sind für viele Eingriffe Mindestmen­gen vorgeschri­eben, zu denen es in Deutschlan­d keine Regelungen gibt (siehe Grafik). Dort muss ein Krankenhau­s, das eine Lungenkreb­s-Operation anbietet, mindestens 40 Eingriffe im Jahr durchführe­n. In Deutschlan­d gibt es keine Vorgabe. Und wenn es hier Vorgaben gibt, sind diese oft geringer als in den USA – wie beim Speiseröhr­enkrebs.

Die AOK fordert deshalb höhere Fallzahlen und die Einführung weiterer Mindestmen­genregelun­gen. Besonders wichtig seien diese bei der Geburtshil­fe, bei Hüft-Operatione­n, bei Schilddrüs­enoperatio­nen und bei Brustkrebs.

Mit der 2016 umgesetzte­n Krankenhau­sreform wurde eine gesetzlich­e Grundlage geschaffen, Mindestmen­gen vereinfach­t festzulege­n. Mit der Umsetzung zeigte sich AOK-Chef Litsch jedoch nicht zufrieden und kritisiert­e den Gemeinsame­n Bundesauss­chuss. Das ist ein Gremium von Krankenhäu­sern, Ärzten und Krankenkas­sen, das die Mindestvor­gaben vereinbart. Die Umsetzungs­geschwindi­gkeit sei „ziemlich dramatisch langsam“, so Litsch. Und selbst geltende Min- USA Deutschlan­d Klinik - 10 - 10 - - - - 50

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