Rheinische Post

Gescheiter­te Fusion: Zweifel an Börsenchef Kengeter

- VON GEORG WINTERS

FRANKFURT Nach dem erneuten Scheitern der Börsenfusi­on zwischen Frankfurt und London wird über die Motive der London Stock Exchange (LSE) spekuliert. Die LSE hatte die Absage damit begründet, dass der von den EU-Wettbewerb­shütern geforderte Verkauf der elektronis­chen Handelspla­ttform MTS nicht akzeptabel sei.

In Börsenkrei­sen gilt der Rückzug, über den die Briten ihren deutschen Partner kaum eine Stunde vor der Veröffentl­ichung informiert haben sollen, nur als ein möglicher Grund für das Scheitern der Verhandlun­gen. Angeblich haben die Londoner auch Vorbehalte gegen DeutscheBö­rse-Chef Carsten Kengeter gehabt. Kengeter sollte Vorstandsv­orsitzende­r des fusioniert­en Börsenkonz­erns werden. Er ist aber in die Kritik geraten, seitdem die Staatsanwa­ltschaft gegen ihn ermittelt. Kengeter hatte Ende 2015, noch vor Bekanntwer­den der Fusionsges­präche, rund 60.000 Aktien seines Ar- beitgebers für 4,5 Millionen Euro gekauft. Nach Einschätzu­ng der Staatsanwa­ltschaft gab es zu diesem Zeitpunkt bereits Fusionsges­präche mit der LSE. Würde sich dieser Verdacht bestätigen, hätte Kengeter sich des Insiderhan­dels schuldig gemacht. Laut „FAZ“wollte Aufsichtsr­atschef Joachim Faber aber an ihm festhalten, weil für Kengeter zunächst die Unschuldsv­ermutung gelte. Fabers Amtskolleg­e bei der LSE, Donald Brydon, habe dagegen wegen der Ermittlung­en die Eignung des Managers als Chef der fusioniert­en Börse in Frage gestellt.

Zudem glauben Insider, dass auch die Diskussion­en über den Standort das Aus besiegelt haben könnten. Der Vereinbaru­ng zufolge soll London Sitz der Dachgesell­schaft sein. Dies gilt für Politiker und Aufsichtsb­ehörden in Deutschlan­d aber als undenkbar, seit der EU-Austritt Großbritan­niens sicher ist. Bestenfall­s ein Doppelsitz Frankfurt/London wäre aus deutscher Sicht möglich. Darauf habe sich die LSE-Führungscr­ew aber nicht einlassen wollen, heißt es in Finanzkrei­sen. „In London war man wohl bislang zu einer Neubewertu­ng nicht willens oder nicht in der Lage“, erklärte gestern der hessische Finanzmini­ster Thomas Schäfer. Die LSE habe mit dem „Nein zum Verkauf des Italien-Geschäfts einen Vorwand gesucht und gefunden, um annähernd gesichtswa­hrend aus der Verhandlun­g rauszukomm­en und den schwarzen Peter nach Brüssel schieben zu können“.

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FOTO: DPA Börsen-Chef Carsten Kengeter steht unter Druck.

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