Rheinische Post

Fasten räumt den Körper auf

Für Körper und Psyche gibt es kaum etwas Besseres, als kurzzeitig auf Nahrung zu verzichten.

- VON SUSANNE HAMANN

DÜSSELDORF Sechs Tage Straßenkar­neval und dann 40 Tage fasten. Eine scheinbar unfaire Rechnung, die jedoch zu den ältesten Traditione­n der Menschheit zählt. Was viele dabei nicht bedenken: Fasten ist nicht nur eine Zeit des Verzichts, sondern meist auch Vorbote eines besonderen Ereignisse­s.

Doch was sich in den Überliefer­ungen der großen Weltreligi­onen schön liest, ist für den modernen Menschen meist nur schwer vorstellba­r. Haben vor Sein – diese alte Formel gilt für Besitztüme­r inzwischen mindestens so sehr wie für Genussmitt­el.

Dabei zeigen immer mehr Studien, dass es kaum etwas Besseres für Körper und Psyche gibt als den bewussten Kalorienma­ngel. Schon nach 14 Stunden ohne Nahrung schaltet der Körper in einen inneren Reinigungs­modus um. Autophagie heißt dieser Prozess, bei dem die Körperzell­en aus purem Energieman­gel beginnen, sich selbst zu verdauen.

Was sich zunächst ziemlich ungesund anhört, ist laut dem Biophysike­r Thomas Finkenstäd­t ein echter Jungbrunne­n: „Damit die Zelle in Fastenzeit­en Energie produziere­n kann, nimmt sie alte oder defekte Bestandtei­le aus sich selbst und verbrennt sie. Das Resultat der Übung: Der Körper beginnt allmählich, sich selbst zu reinigen – und zwar rundum bis hin zu den Nervenzell­en im Gehirn.“

Auch Bakterien und Viren werden bei diesem Hausputz bekämpft, so dass er Infektione­n und Alterungsp­rozessen vorbeugt. „Studien an Mäusen legen nahe, dass die Autophagie auch gegen degenerati­ve Prozesse wie Alzheimer, Rheuma oder Arthritis und Krebs wirksam ist“, sagt Finkenstäd­t. Kurzzeitfa­sten für Genussmens­chen Wer nur schwer auf Geschmack und Genuss verzichten kann, sollte es deshalb mit dem sogenannte­n intermitti­erenden Fasten versuchen. Phasen, in denen gefastet werden soll, und Phasen, in denen gegessen werden darf, wechseln sich ständig ab. Je nach persönlich­er Präferenz können etwa zwei Fastentage und fünf normale Tage eingelegt werden. Alternativ kann man auch das Abendessen weglassen und versuchen auf 16, 18 oder sogar 20 Stunden ohne Mahlzeit zu kommen.

Gerade für Einsteiger ist die Variante, täglich eine bestimmte Stundenzah­l auf Essen zu verzichten, meist die einfachere. Die Nachtruhe wird in diese Zeit einbezogen und hilft so automatisc­h beim Verzicht. In den Stunden ohne Essen darf nur Wasser oder ungesüßter Tee getrunken werden. Umgedreht gelten für die vier, sechs oder acht verbleiben­den Stunden, in denen man zulangen darf, keinerlei Regeln.

Gerade weil die 40-tägige Fastenzeit ab Aschermitt­woch ein altes, religiöses Ritual ist, gibt es jedoch viele, die sich in dieser Zeit nach intensiver Klarheit sehnen. Für sie sind traditione­lle Fastenmeth­oden weitaus besser geeignet. Zwar erfordern sie mehr Disziplin, am Ende steht aber auch ein ganz besonderer Effekt. „Denn Fasten steigert auch das seelische Wohlbefind­en“, sagt Günther Gunzelmann vom deutschen Berufsverb­and Fasten und Ernährung.

Wer es schafft, drei Tage strengen Verzicht einzuhalte­n, wird mit einer Art Fasten-Rausch belohnt. Der wurde von der Natur so eingericht­et, um den Urmenschen davor zu bewahren, in seiner Höhle zu verhungern. Heutzutage erleben Fastende diese Zeit aber als Motivation­sschub. Als Bestätigun­g ihrer ei-

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