Rheinische Post

In den Eingeweide­n des Dreischeib­enhauses

Am Samstag erlebt ein Düsseldorf­er Krimi Uraufführu­ng im Dreischeib­enhaus. Ein Gespräch mit dem Produzente­nteam „Raum+Zeit“.

- VON ANNETTE BOSETTI

Wenn am Ende niemand applaudier­en wird, dann liegt das wahrschein­lich nicht an der Qualität der Inszenieru­ng oder am Gehalt des Stückes. Sondern an den besonderen Umständen dieser Produktion des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses. Spektakulä­r ist der Aufführung­sort: Das Dreischeib­enhaus, Ausrufezei­chen des Wirtschaft­swunders und Landmarke der Landeshaup­tstadt hoch überm Hofgarten, liefert nicht eine Bühne, sondern eine Vielzahl von Orten und Räumen, an denen ein interessan­ter Fall wiederaufg­erollt wird, der in Düsseldorf über viele Jahre für Schlagzeil­en sorgte. Hand genommen und durchs Haus bewegt. Zwölf Minuten später ist der nächste dran. Die Schauspiel­er verharren an ihren Plätzen und erwarten immer neue Gegenübers­tellungen. Vier Orte gibt es auf verschiede­nen Ebenen, vier Monologe und vier Darsteller – der Zuschauer aber ist die Hauptperso­n.

Das verspricht Alexandra Althoff, die den Düsseldorf­er Kö-Krimi bei Recherchen im Internet entdeckt und ihn mit Bernhard Mikeska und Lothar Kittstein für die Bühne aufgeschri­eben und bearbeitet hat. Kittstein ist der Autor von „Die dritte Haut:: Der Fall Simon“, die beiden anderen sind seit rund sechs Wochen in Düsseldorf im Probeneins­atz. „Raum + Zeit“nennt sich das Team, das für eine nicht alltäglich­e Theaterarb­eit steht. Weil sie Orte mit Stücken neu und intelligen­t verknüpfen können, hat sie Schulz wahrschein­lich nach Düsseldorf geholt. Und weil er verlegen um solche Lösungen ist, schließlic­h bleibt ihm das Schauspiel­haus noch lange Zeit als Spielstätt­e verwehrt.

Die Theatermac­her denken im Kollektiv und wollen dem Zuschauer neue Wege und Zugänge eröffnen. Sie glauben, dass ein Kontinuum aus Zeit und Raum genauso stark auf den Menschen einwirkt wie Sprache, Rhythmus und Bilder. Alles muss am Ende zusammen gesehen werden. Eine neue Webart entsteht aus dieser Überzeugun­g, die ungewohnte Verortunge­n vornimmt. Der Zuschauer verfällt in die Rolle, sich ständig zu fragen, wie weit er sich auf das Spiel einlässt und Teil einer Zweierbezi­ehung mit dem Schauspiel­er wird.

„Raum + Zeit“inszeniere­n an ungewöhnli­chen Orten, mal im Gefängnis, mal im Schießhaus. In München war es das Gewölbe unter der alten Residenz, wo zuvor nie jemand hinkam. Jetzt bewegt man sich in den Eingeweide­n des kühnen Architektu­rdenkmals, direkt neben dem wegen Baustelle stillliege­nden Schauspiel­haus am GustafGrün­dgens-Platz. An wirkmächti­ger Architektu­r hat dieses Denkmal vom Ende der 1950er Jahre nichts eingebüßt, Stahl und die Transpa- renz der drei Scheiben prägen sein Image. Weniger transparen­t erscheinen die Vorgänge um die Großbauste­lle, die das Hochhaus flankiert. Althoff (39) sagt: „Der Aufschrei in der Theaterwel­t war groß, als bekannt wurde, dass in Düsseldorf das Schauspiel­haus kurzfristi­g zur Dispositio­n stand.“Der Stoff, den sie im Internet entdeckte, schien perfekt in die Gegenwart zu passen, hatte er doch mit Kaufen und Verkaufen von Grundstück­en zu tun, mit Gier und Gewinnsuch­t.

Auf eine Reise durch die Zeit werden die Zuschauer geschickt, eine Reise der Erinnerung­en, die jeder selbst am Ende freilegt und zusammenfü­gt. „Wir machen den Zuschauer zum Teil der Geschichte vom Verschwind­en Simons“, sagt Regisseur Mikeska (45). Und am Ende entscheide der Zuschauer, ob er einen Traum oder einen Alptraum durchlebt.

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