Rheinische Post

Sieg der Stimmen in „Turandot“

In der Rheinoper feierte Puccinis Spätwerk Premiere.

- VON ARMIN KAUMANNS

Ein Tollhaus. Kreischend­e, johlende, pfeifende Menschen in Abendgarde­robe. So was hat man lange nicht erlebt. Kaum einen im Premierenp­ublikum hält es auf dem Polster, nachdem Yonghoon Lee sein hohes H in metallisch strahlende­r Pracht unter die Decke des Düsseldorf­er Opernhause­s geknallt hat. „Vinceró“– Sieg! Der Tenor aus Korea, Gast der großen Opernhäuse­r der Welt, schließt die wohl berühmtest­e Arie der Musikgesch­ichte, „Nessun dorma“, mit brillanter Stimmgewal­t.

Puccinis letzte, unvollende­te Oper „Turandot“ist nach Duisburg nun auch in Düsseldorf angekommen. Und es sind vor allem die musikalisc­hen Leistungen, die das Düsseldorf­er Publikum begeistern. Denn die Inszenieru­ng des Regieteams aus Taiwan mit Regisseur Huan-Hsiung Li ist hierzuland­e zumindest erklärungs­bedürftig. Seine Sicht der „Turandot“soll bald ein riesiges Kulturzent­rum in Taiwan eröffnen, mit Sälen für 6000 Musikbegei­sterte. Die werden vielleicht eher verstehen, warum Li die Akteure des Märchens von der männermord­enden chinesisch­en Prinzes- sin Turandot und dem vor lauter Liebe unerschroc­kenen Prinzen Kalaf in ein Geflecht aus ritualisie­rten Gesten, historisie­renden PrunkKostü­men, Scherensch­nitt-Bühne und modernen Revolution­s-Videos zwängt. Irgendwie soll wohl alles ein Traum von einem neuen, besseren China sein, den eine luftig weiß gewandete Tänzerin im Flug über die Gegenwart durchlebt. Li hat sie zu diesem Zwecke hinzugedic­htet.

Im Orchesterg­raben zeigt sich Wen-Pin Chien, der das Projekt initiierte, ganz als Sachwalter von Puccinis mitreißend­em SpätwerkSo­und. Die Düsseldorf­er Sympho- niker schwelgen nach Herzenslus­t, setzen sich in die fast atonalen, symbolträc­htigen Bläser-Akkorde, die große Trommel dröhnt dämonisch, und Fünfton-Zuckerguss gibt’s obendrein. Das passt ganz wunderbar zu den großen Chor-Tableaus, in denen der Rheinopern­chor nicht nur erstklassi­g singt, sondern in Massen-Choreograf­ien etwa auf die Regenschir­m-Revolution in Hongkong anspielen darf. Beeindruck­ende Bilder. Fantastisc­he Stimmen. Die große Linda Watson darf die Turandot mit all den kostbaren Farben ausstatten, die die dramatisch­e Sopranisti­n so berühmt gemacht haben. Ihre Gestaltung­skraft ist phänomenal, auch wenn die extremen Emotionen inzwischen etwas verschwimm­en. Yonghoon Lees Tenor strahlt ungefährde­t durch die riesige Kalaf-Partie, hat auch lyrische Töne, sein Spiel aber zu viele Macho-Posen. Wunderbar beseelt gestaltet Anke Krabbe die Sopran-Partie der Liù, Wolfgang Schmidt gibt den Kaiser Altoum im britischen Besatzer-Kostüm und mit zur Karikatur verbellter Stimme. Großartig das Ping-Pang-Pong-Trio von Dmitri Vargin, Johannes Preisinger und Luis Fernando Piedra. Große Stimmen, großer Applaus.

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FOTO: HANS JÖRG MICHEL Linda Watson beeindruck­te als Turandot.

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