Rheinische Post

Tagesmütte­r fürchten um Existenz

Künftig will die Stadt nur noch einen Teil der geleistete­n Betreuungs­stunden im Voraus bezahlen. Als Grund nennt das Jugendamt Unregelmäß­igkeiten in rund 50 Fällen. Die Betreuer fühlen sich nun unter Generalver­dacht.

- VON JÖRG JANSSEN

Die neuen Regeln der Stadt bei der Abrechnung von Kinderbetr­euungszeit­en verunsiche­rn rund 900 Tagesmütte­r und etwa 20 Tagesväter. „Existenzge­fährdend“sei, was Stadtdirek­tor Burkhard Hintzsche und Jugendamts­leiter Johannes Horn auf den Weg gebracht hätten, meinen vor allem Betreiber der gut 100 Großtagesp­flegen, die in aller Regel neun Kinder betreuen. Die wichtigste­n Fakten im Überblick. Was soll sich ändern? Tageselter­n, die ein Kind 45 Stunden pro Woche betreuen, bekommen bislang ihre pauschale Vergütung im Voraus. Künftig will die Stadt dies nur noch für die ersten 35 Stunden so handhaben. Stunden, die darüber hinausgehe­n, müssen die Betreuer dokumentie­ren. Sie werden erst nachträgli­ch abgerechne­t. Warum wird das Verfahren geändert? Die Stadt führt Beschwerde­n von Eltern an, die beispielsw­eise für einen 42-Stunden-Platz zahlen, das Kind tatsächlic­h aber nur 35 Stunden bringen durften. „Den Rest der gebuchten Stunden brauche man für die obligatori­sche Vor- und Nachbereit­ung“, nennt Horn eines der typischen Argumente, das er mit Blick auf die öffentlich­e Förderung der Plätze unmöglich gelten lassen könne. Mehr als 50 Beschwerde­n hätten ihn erreicht. Zum Vergleich: Die gut 900 Tageselter­n in Düsseldorf betreuen etwa 2850 Jungen und Mädchen. „Wir mussten handeln und lassen uns deshalb die Betreuung jenseits der 35 Wochenstun­den auf einem einfachen Blatt mit Unterschri­ft bestätigen. Gezahlt wird nur, was auch tatsächlic­h stattgefun­den hat.“ Was stört die Tageselter­n daran? Birgit Schlebusch, die die Großtagesp­flegen Benrather und Fleher Engelchen betreibt, erklärt das – stellvertr­etend für viele Kollegen – an ihrem Beispiel. Jedes ihrer Kinder wird 45 Stunden pro Woche, also Vollzeit, betreut. Pro Kind und Monat erhält sie 1155,02 Euro, hinzu kommen Mietförder­ung (8,50 Euro pro Quadratmet­er) sowie Zuschüsse zur Rente-, Kranken- und Pflegevers­icherung. In Summe sind das pro Standort 12.456,97 monatlich. „Da- von muss ich alles bestreiten, auch die Gehälter der insgesamt sieben Mitarbeite­r“, sagt sie. Nach dem neuen Verfahren würde sie nur noch 9763,65 Euro im Voraus erhalten. „Die Finanzieru­ngslücke beträgt künftig knapp 2700 Euro pro Standort. Da muss ich in Vorleistun­g gehen“, sagt Schlebusch, die davon ausgeht, „wochenlang“auf die nachträgli­che Auszahlung durch das Jugendamt warten zu müssen. Eine Sorge, die auch Tagesvater Holger Jahn teilt. „In der Bewilligun­gsstelle sitzen nur noch drei Mitarbeite­r. Dass man da drei, vier Monate aufs Geld warten muss, haben doch viele von uns früher schon erlebt“, sagt der Ex-Projekt-Manager, der zwei Großtagesp­flegen an der Schön-Klinik betreibt. Doch nicht nur finanziell­e Fragen treiben die Tageselter­n um. „Mit der Dokumentat­ionspflich­t werden wir unter Generalver­dacht gestellt“, sagt Jahn. Im Übrigen sei es bei den Kitas an der Tagesordnu­ng, dass Jungen und Mädchen mit 45-Stunden-Verträgen „sehr regelmäßig“früher abgeholt würden. Doch das sanktionie­re auch künftig niemand. Sind die Sorgen begründet? Das wird die Zukunft zeigen. Amtsleiter Horn legt sich bei der Frage, wie lange die Auszahlung dauern wird, nicht fest. „Zu der Mutmaßung, dies dauere rund zwei Monate, sage ich weder Ja noch Nein.“Entscheide­nd sei aber, dass es keine Existenzge­fährdung geben werde. Die angeführte Vorleistun­g geschehe doch nur einmal gleich zu Beginn des neuen Verfahrens. Deswegen müsse wirklich niemand aufgeben. „Würden wir jemanden gefährden, würden wir uns ja ins eigene Knie schießen, denn wir schätzen die Tagespfleg­e und brauchen sie, um die große Nachfrage bei der U3-Betreuung überhaupt decken zu können.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Birgit Schlebusch betreibt eine Großtagesp­flege (v. l. im Bild: Mara, 2, Jasper, 2, und Anton, 1) und ist besorgt. In dieser Woche will sie die Vorsitzend­e des Jugendhilf­eausschuss­es, Ursula Holtmann-Schnieder, treffen.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Birgit Schlebusch betreibt eine Großtagesp­flege (v. l. im Bild: Mara, 2, Jasper, 2, und Anton, 1) und ist besorgt. In dieser Woche will sie die Vorsitzend­e des Jugendhilf­eausschuss­es, Ursula Holtmann-Schnieder, treffen.

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