Briten schränken Alkoholkonsum stark ein
Vor allem junge Menschen üben zunehmend Verzicht – auch das Resultat gezielter Kampagnen.
LONDON Vor zehn Jahren war man beim Saufen noch Europameister. In der Disziplin Sturztrunk konnte Großbritannien keiner etwas vormachen. Mittlerweile machen sich im Königreich ganz andere Trends bemerkbar. Der Alkoholkonsum in Großbritannien ist um rund ein Viertel gefallen, und die Zahl der Abstinenzler wird immer höher. Und das besonders unter jungen Leuten. Etwas mehr als ein Fünftel aller Briten unter 25 Jahren rührt heute grundsätzlich keinen Alkohol an. Währenddessen picheln die Älteren und Bessergestellten weiter.
Vorbei sind die Zeiten, als noch 40 Prozent aller Fälle von Alkoholkonsum als sogenanntes „binge drinking“, also als Gezieltes-überden-Durst-Trinken galt, wie die britische Regierung 2008 angab. Angesagt ist mittlerweile das sogenannte „mindful drinking“, das achtsame Trinken oder anders ausgedrückt: Saufen mit Verstand.
Jedes Jahr veranstaltet die Organisation „Alcohol Concern“einen „Dry January“, einen trockenen Januar, wo die Bevölkerung aufgerufen wird, ganz auf Alkohol zu verzichten oder doch zumindest dessen Konsum stark einzuschränken. Nie war man erfolgreicher als in diesem Jahr. In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Teilnehmer vervierfacht. Fünf Millionen Briten nahmen dieses Jahr am „Dry January“teil, und laut Umfragen wollen 67 Prozent auch im Rest des Jahres ihren Konsum drosseln. Organisationen wie „Club Soda“helfen dabei. „Club Soda“propagiert auf ihrer Webseite die Vorzüge des „mindful drinking“, und die gibt es ja reichlich: besserer Schlaf, weniger Geldausgaben, gesündere Lebensweise und verbesserte Fitness. Man bietet kostenlose Online-Kurse an, mit denen man sich seine Trinkziele setzen kann, sei es ein Zurückschrauben, ein vorübergehender Stopp oder die Totalabstinenz. Auch einen Kneipenführer, der Gaststätten auflistet, wo alkoholarme oder - freie Alternativen angeboten werden, hat man im Programm. Und eine „achtsame Kneipentour“, einen alkoholarmen Zug durch die Gemeinde.
„Es geht uns darum“, sagt die Gründerin von „Soda Club“Laura Willoughby, „zu ändern, wie wir über Alkohol denken und fühlen. Die Kneipen, die verstehen, dass nicht jeder saufen will, sind diejenigen, die florieren.“Traditionelle Pubs dagegen haben große Schwierigkeiten. Rund 27 Kneipen in Großbritannien machen jeden Monat dicht. Billiges Supermarktbier macht ihnen ebenso das Überleben schwer wie höhere Steuern. Die Pub-Kette „Draft House“dagegen trotzt dem Kneipensterben erfolgreich, weil man eben auch Alternativen im Angebot hat. Sogenannte Craft-Biere, Selbstgebrautes mit wenig oder ohne Alkohol, erweist sich als Renner – ein Zeichen dafür, dass sich die Trinksitten ändern.