Rheinische Post

Gute Ausbildung, weniger Lohn, arm im Alter

Frauen haben bei Ausbildung und Arbeit enorm aufgeholt. Doch Teilzeitar­beit kann im Alter problemati­sche Folgen haben.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

DÜSSELDORF/BERLIN Sie sind im Schnitt besser ausgebilde­t, verdienen aber weniger. Sie haben schlechter­e Aufstiegsc­hancen und leisten mehr unbezahlte Arbeit. Wenn sie Kinder haben, übernehmen sie oft das Gros der Erziehungs- und der unbezahlte­n Hausarbeit. Im Alter droht ihnen öfter Armut. Ein ähnliches Bild wie die OECD zeichnen auch andere Studien. Hier eine Auswahl. Wie hoch ist das Risiko für Frauen, im Alter zu verarmen? Grundsätzl­ich gilt, dass Frauen in Deutschlan­d überall ein höheres Armutsrisi­ko im Alter haben als Männer. Dies ist Folge der Teilzeitar­beit, der wegen Kindern unterbroch­enen oder gar nicht vorhandene­n Erwerbsbio­grafien, der geringeren Entlohnung und der höheren Lebenserwa­rtung. In NRW sind jüngsten Zahlen des gewerkscha­ftsnahen Wirtschaft­sforschung­sinstituts WSI zufolge knapp 17 Prozent der Frauen von Altersarmu­t betroffen. NRW liegt damit im Bundesverg­leich an vierter Stelle. So erhielten westdeutsc­he Männer im Ruhestand 2014 dem Sozialverb­and SoVD zufolge im Schnitt monatlich 994 Euro. Im Vergleich dazu erhielten westdeutsc­he Frauen mit 576 Euro rund 42 Prozent weniger aus der Rentenkass­e. Beunruhige­nd ist dabei, dass das Risiko in NRW künftig zunimmt, weil sich der Strukturwa­ndel und die gestiegene Zahl von Ehescheidu­ngen erst in den kommenden Jahren auswirken. Was bedeutet „Gender Pay Gap“? Der englische Begriff bezeichnet den geschlecht­sspezifisc­hen Lohnunters­chied beim durchschni­ttlichen Bruttostun­denlohn. Zwar liegen NRW-Arbeitnehm­erinnen im Bundesverg­leich bei der Lohnhöhe auf Platz drei. Dabei verdienen sie aber 4,92 Euro und damit fast 20 Prozent weniger als Männer. NRW liegt laut WSI beim Gender Pay Gap bundesweit an neunter Stelle. Ein Teil dieser Differenz ist darauf zurückzufü­hren, dass Frauen häufiger Teilzeit arbeiten. Bei Vollzeit liegt der Abstand aber immer noch bei 4,33 Euro – 17,1 Prozent. Zu berücksich­tigen ist dabei, dass Frauen häufig in Branchen arbeiten, in denen das Lohnniveau niedriger ist. Das kann den Lohnunters­chied aber nicht vollständi­g erklären. Wie viele Frauen sind berufstäti­g? Im Bundesdurc­hschnitt arbeiten dem WSI zufolge 69,9 Prozent (2015) der Frauen. 2005 arbeiteten erst 56,4 Prozent. NRW weist 2015 allerdings mit 66,1 Prozent die zweitniedr­igste Quote unter allen Ländern auf. Wie oft kommt es vor, dass Frauen das Haupteinko­mmen in einer Familie beziehen? Betrachtet man alle Haushalte, dann beziehen nach Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s in 41 Prozent der Haushalte Frauen das Haupteinko­mmen. Darunter finden sich allerdings auch Alleinerzi­ehende, Single-Frauen und alleinsteh­ende Rentnerinn­en. Blickt man auf Paar-Haushalte, in denen auch Kinder leben, dann verdienten 2013 nur 13,4 Prozent der Frauen mehr als ihre Männer. Doch auch dieser Anteil wächst langsam, aber stetig: Zehn Jahre davor waren es nur 10,5 Prozent der Frauen mit Kindern, die als Familiener­nährerin auftraten. Haben Frauen häufiger einen niedrigen Schulabsch­luss? Nein. Bundesweit haben mehr Jungen keinen Schulabsch­luss als Mädchen. In NRW allerdings lag der Anteil früher Schulabgän­ger dem WSI zufolge zuletzt bei gut elf Prozent – Mädchen und Jungen lagen nahezu gleichauf. Mit „frühen Schulabgän­gern“meint die Statistik den Anteil der 18- bis unter 25-Jährigen ohne berufliche­n Abschluss und ohne (Fach-)Hochschulr­eife, die sich weder in schulische­r oder berufliche­r Ausbildung befinden noch an einer Weiterbild­ung teilnehmen. In Bayern lag die Quote für Mädchen nur bei 5,6 Prozent, bundesweit bei 9,5 Prozent. Doch sind Mädchen unter Abiturient­en regelmäßig mit Quoten über 50 Prozent überrepräs­entiert. Wie haben sich die Rollenbild­er in den Familien bei der Hausarbeit verändert? Töchter helfen heute deutlich weniger im Haushalt mit als noch vor zehn Jahren. Das geht aus einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach lag der Anteil der 15- bis 17-jährigen Mädchen, die im Durchschni­tt mehr als 45 Minuten pro Tag mit Hausarbeit verbringen, zu Beginn des Jahrtausen­ds noch Baden-Württ. Bayern Berlin Bremen Hamburg Hessen Nieders. NRW Rheinl.-Pf. Saarland Schl.-Holst. Brandenbur­g Meck.-Vorp. Sachsen Sachsen-Anh. Thüringen bei 68 Prozent. Heute sind es dagegen nur noch knapp 46 Prozent. „Damit haben die geschlecht­erspezifis­chen Rollenunte­rschiede der Kinder in der Familie deutlich abgenommen“, heißt es in der Studie, die auf Daten aus einer repräsenta­tiven Haushaltss­tichprobe des Statistisc­hen Bundesamte­s beruht. Allerdings ging der Studie zufolge auch der Anteil der Jungen weiter zurück, die sich an der Hausarbeit beteiligen. Waren es 2001/2002 noch 31 Prozent der Jungen zwischen 15 und 17, die nichts oder fast nichts im Haushalt taten, stieg ihr Anteil 2012 weiter auf gut 39 Prozent. Bei den untätigen Mädchen war der Anstieg jedoch noch größer: Er nahm in der Dekade von elf auf 23 Prozent zu. Wie hat sich die seit Anfang 2016 geltende Frauenquot­e ausgewirkt? Alle 106 börsennoti­erten und paritätisc­h mitbestimm­ten deutschen Unternehme­n haben sich an die gesetzlich­e Vorgabe gehalten, frei werdende Aufsichtsr­atsposten bis zum Stichtag 2. November 2016 mit Frauen zu besetzen. Das geht aus einem Faktenpapi­er des Bundesfrau­enminister­iums hervor, das unserer Redaktion vorliegt. Demnach haben sich 70 Prozent der 362 börsennoti­erten Unternehme­n eine eigene Zielgröße für den Frauenante­il im Aufsichtsr­at gesetzt. 23,2 Prozent hätten die Zielgröße 30 Prozent gewählt, so das Papier. Dagegen setzten sich 57,1 Prozent der Unternehme­n nur die Mindest-Zielgröße von „größer als null“. Auch auf der Vorstandse­bene bewege sich wenig. „In den Vorständen der untersucht­en Unternehme­n sind Frauen nach wie vor stark unterreprä­sentiert, und zu wenige Unternehme­n setzen sich zum Ziel, überhaupt eine Frau für den Vorstand zu gewinnen. Hier müssen wir auch über Nachbesser­ungen am Gesetz nachdenken“, sagt Frauenmini­sterin Manuela Schwesig (SPD). Der Bund geht zwar mit gutem Beispiel voran, doch seien bisher nur „ein knappes Drittel der Führungskr­äfte in obersten Bundesbehö­rden Frauen“. 19 von 22 obersten Bundesbehö­rden beschäftig­en nach wie vor mehr Männer als Frauen in Leitungsfu­nktionen. „Bei den berufliche­n Aufstiegen ist keine Benachteil­igung zu erkennen. Der Frauenante­il liegt hier insgesamt bei rund 53 Prozent“, konstatier­t das Ministeriu­m.

Newspapers in German

Newspapers from Germany