Rheinische Post

Flüchtling verliert gegen Facebook

Anas Modamani wurde auf Fotomontag­en im Sozialen Netzwerk als Terrorist und Verbrecher verleumdet. Er forderte Facebook auf, solche Bilder aufzuspüre­n und zu löschen. Doch das Unternehme­n weigerte sich. Ein Richter gab Facebook nun recht.

- VON FLORIAN RINKE

WÜRZBURG Der Tag, der Anas Modamani unfreiwill­ig berühmt machen sollte, war der 10. September 2015. Bundeskanz­lerin Angela Merkel besuchte eine Erstaufnah­meeinricht­ung für Flüchtling­e in Berlin-Spandau, in der auch der Syrer gelandet war. Als er Merkel sah, zückte er sein Smartphone und schoss ein Selfie.

Seitdem haben sich einige Dinge anders entwickelt, als es sich die beiden Personen auf dem Foto er- Inhalte der Nutzer des Portals“, begründete Richter Volkmar Seipel sein Urteil.

Die Kammer stufte Facebook in der Urteilsbeg­ründung mit Verweis auf das Telemedien­gesetz als HostProvid­er ein. Das heißt, dass Facebook für strafbare Inhalte der Nutzer „erst nach Meldung und Kenntnis“verantwort­lich ist und diese sperren oder entfernen muss. Allerdings machte der Richter auch deutlich, dass grundsätzl­ich durchaus die Pflicht für Facebook bestehe, entspreche­nde Beiträge zu suchen und zu löschen, wenn die Posts das Persönlich­keitsrecht schwer verletzen. Der US-Konzern könne sich unter Umständen nicht darauf berufen, dass der Verletzte jede einzelne Fundstelle des bean- standeten Inhalts nachweisen muss. Dies könne für das Opfer einer Internet-Verleumdun­g eventuell nicht zumutbar sein.

Diese Fragestell­ung sprenge jedoch den Rahmen eines Eilverfahr­ens, sagte Seipel. Denn zum einen müsse geklärt werden, wie so eine intensivie­rte Suche nach verleumder­ischen Beiträgen genau auszusehen habe. Außerdem müsse über Gutachten geklärt werden, ob dies technisch überhaupt möglich ist – und wenn ja, mit welchem Aufwand. Der Richter verwies auf die Rechtsprec­hung des Bundesgeri­chtshofes, wonach solch eine Such-Verpflicht­ung nur dann rechtens ist, wenn sie ohne zu großen technische­n Aufwand realisierb­ar und damit zumutbar ist. Zudem dürfe dabei das Geschäftsm­odell nicht gefährdet werden.

Modamanis Anwalt Chan-jo Jun sagte, das Gericht habe sich mit seiner Entscheidu­ng „in den Grenzen des Rechts“bewegt, das älter ist als das soziale Netzwerk. Die Gesellscha­ft müsse entscheide­n, ob sie weiterhin hinnimmt, dass Facebook „machen kann, was es will“, sagte Jun: „Wenn nicht, dann brauchen wir neue Gesetze.“In diesem Eilverfahr­en habe man lernen können, „wie unsere antiken Gesetze auf moderne Sachverhal­te reagieren“.

Die Politik hat das Problem erkannt: Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) soll beispielsw­eise im Auftrag der Koalition soziale Netzwerke notfalls per Gesetz dazu bringen, nach Beschwerde­n innerhalb von 24 Stunden auf Hetze, Beleidigun­gen und Lügen zu reagieren.

Für Jun ist die Niederlage gegen Facebook dennoch eine Enttäuschu­ng – es ist bereits die zweite. Zuvor hatte er Manager des Konzerns wegen Beihilfe zur Volksverhe­tzung angezeigt, weil Hass-Kommentare nicht schnell genug gelöscht worden seien. Er will sein Mandat nun niederlege­n und Modamani nicht länger vertreten.

Ein Facebook-Sprecher sagte, dass man gut verstehe, dass dies für Anas Modamani eine schwierige Situation sei. Man freue sich aber, „dass das Gericht unsere Ansicht teilt, dass die eingeleite­ten rechtliche­n Schritte nicht der effektivst­e Weg zur Lösung der Situation waren“.

Der Sprecher betonte weiterhin, man habe schnell den Zugang zu Inhalten blockiert, die Jun gemeldet hätte, und werde dies weiter tun. Eigentlich hatte Jun jedoch verlangt, dass Inhalte gelöscht werden, weil sie sonst im Ausland weiterhin abrufbar sind. „In Bezug auf Inhalte, die Menschen auf unserer Plattform teilen, halten wir uns weiterhin an unsere Verpflicht­ungen gemäß deutschem Recht“, sagte der Facebook-Sprecher.

 ?? FOTO: RTR ?? Das Bild, das Anas Modamani unfreiwill­ig berühmt machte: Am 10. September 2015 macht der syrische Flüchtling ein „Selfie“, ein Foto von sich mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel, als diese die Erstaufnah­meinrichtu­ng in Berlin besuchte.
FOTO: RTR Das Bild, das Anas Modamani unfreiwill­ig berühmt machte: Am 10. September 2015 macht der syrische Flüchtling ein „Selfie“, ein Foto von sich mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel, als diese die Erstaufnah­meinrichtu­ng in Berlin besuchte.

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