Rheinische Post

Menschen waren früher weitaus risikobere­iter

- VON RAINER KURLEMANN

DÜSSELDORF In Deutschlan­d wurde der Begriff der „Risikogese­llschaft“erfunden. Aber Astrid Epp vom Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) weiß durch ihre Zusammenar­beit auf europäisch­er Ebene, dass Deutsche nicht mehr oder weniger ängstlich sind, als andere Europäer. „Es ist auffällig, dass in anderen Ländern jeweils unterschie­dliche Themen diskutiert werden“, so die Berlinerin. Das belegt, dass die Debatte über die Risiken des Lebens nur selten objektiven Kriterien folgt. Das Junge Kolleg der NRW-Akademie der Wissenscha­ften und Künste hat sich mit der Wahrnehmun­g von Risiken beschäftig­t.

Dabei räumte der Historiker Franz-Josef Brüggemeie­r mit allerlei Vorurteile­n auf. „Es gilt als selbstvers­tändlich, dass die Risiken gegen Mitte oder Ende des 20. Jahrhunder­ts sowohl in der Quantität als auch in Qualität zugenommen haben“, so der Professor der Freiburger Albert-Ludwigs-Universitä­t. Er sei aber „skeptisch“, ob diese Aussage stimme. „Die Arbeit in der Landwirtsc­haft oder in der Industrie hatte früher ein viel höheres Unfallrisi­ko, Reisen war generell sehr gefährlich“, sagte Brüggemeie­r, „auch bei Schwangers­chaften bestand für die Frauen ein hohes Sterberisi­ko.“Damals sei die Bereitscha­ft der Menschen, Risiken einzugehen, größer gewesen als heute.

Viele Deutschen lassen sich bei der Risikobewe­rtung nicht reinreden. Sie vertrauen vor allem sich selbst. In aktuellen Verbrauche­rmonitor des BfR sagte jede achte Befragte, er könne die gesundheit­lichen Risiken selbst abschätzen und benötige dafür keine staatliche Hilfe.

Dieses Klientel ist nach Einschätzu­ng von Astrid Epp kaum noch in seiner Meinung umzustimme­n, selbst wenn die Risikobewe­rtung allen wissenscha­ftlichen Erkenntnis- sen widerspric­ht. Gemäß der Umfrage vertrauen nur noch 51 Prozent der Deutschen beim Schutz der Gesundheit auf staatliche Stellen – vor zwei Jahren lag dieser Wert noch bei 56 Prozent. Dabei liegt die Selbsteins­chätzung in den meisten Fälle daneben.

Die Hälfte der Deutschen ist durch Reste von Pflanzensc­hutzmittel­n in Lebensmitt­eln beunruhigt, aber nur 13 Prozent von der Gefahr durch mangelhaft­e Lebensmitt­elhygiene in der eigenen Küche. Dabei verursache­n Keime im Haushalt viel häufiger Krankheite­n als die sehr geringe Menge an Pestiziden.

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