Rheinische Post

In der Loge der verschwieg­enen Brüder

Die Freimaurer luden zur Lesung aus Dan Browns „Symbol“. Ein Besuch bei einem geheimnisv­ollen und stillen Männerbund fürs Leben.

- VON THORSTEN BREITKOPF

Ein in schwarzem Smoking mit weißer Fliege gekleidete­r Mann betritt den Vorraum, klopft dreimal kräftig mit einem Zeremonien­stab auf den Boden, und die Gäste werden ruhig. Die Besucher betreten einen indirekt beleuchtet­en großen Saal, der an eine Kirche erinnert. Vorn, hinter einem Altar, sitzt ein genauso gekleidete­r Herr gehobenen Alters. Auf dem Altar stehen drei Kerzen, daneben liegen ein Buch und ein Totenschäd­el. Wir befinden uns im Tempel der Freimaurer. Das Requiem von Mozart erklingt. „Auch ein Freimaurer-Bruder“, sagt leise ein Sitznachba­r. Dann beginnt die Lesung. Der dunkel gekleidete Herr – er heißt Hans-Dieter Tiemann – zitiert in ruhigen Worten aus dem Buch „Das verlorene Symbol“von Dan Brown: „Das Geheimnis liegt darin, wie man stirbt. So ist es seit Anbeginn der Zeit. Der Anwärter blickte auf den menschlich­en Schädel, den er in Händen hielt. Der Totenkopf war hohl wie eine Schale und gefüllt mit blutrotem Wein. ,Trink’, sagte er sich. ,Du hast nichts zu befürchten’.“

Einen besseren Ort für diese Lesung hätte man sich nicht ausmalen können. Das „Verlorene Symbol“spielt in Washington und thematisie­rt Legenden rund um die Bruderscha­ft der Freimaurer. Der Legende zufolge verfügen diese angeblich über ein uraltes Wissen, das seit Jahrtausen­den im Inneren der Menschen verborgen liegt. Doch man muss nicht den Kontinent, nicht mal die Stadt verlassen, um auf jene mystischen Männer zu treffen. Ihr Düsseldorf­er Logenhaus mit dem Freimaurer-Tempel liegt an der Uhlandstra­ße. Im Haus ist auch noch das Lokal „Flammkuche­n-Manufaktur“untergebra­cht, das der uralten Villa für den Erstbesuch­er etwas von der Düsterkeit des Mythischen nimmt.

Eigentlich sind die Freimaurer eine verschwieg­ene Truppe. Anlässlich des 300. Geburtstag­s der modernen Freimaurer­ei öffneten sie kürzlich ihre Tore für etwa 50 bis 70 Gäste. Verschwieg­en, dass vorweg, bleiben sie dennoch. Voraberklä­ren sie einige Dinge, die geheimnisv­oll erscheinen, aber viel von dem erzählen, was für Freimaurer wichtig ist, und das sind Symbole. „Die drei Kerzen haben vielfältig­e Bedeutunge­n. Etwa in der Bibel die Dreifaltig­keit Gottes, auch unsere Losung ,Glaube, Liebe, Hoffnung’ fußt auf der Zahl drei“, sagt Michael Meckel, Stuhlmeist­er, quasi ein Vorsitzend­er der Loge „Rose und Akazie“, genauer gesagt, Bruder Michael Meckel. Die Freimaurer sind eine Bruderscha­ft. Daher ist die Anrede untereinan­der unabhängig vom Grad „Bruder“. Und der Kopf? „Das ist ein echter Totenkopf, ein Erbstück“, sagt Meckel. Wem er einmal gehörte, ist unklar. Seine Zähne deuten darauf, dass er aus alter Zeit stammt, definitiv aber war sein Besitzer kein Privatpati­ent. Was für Erstbesuch­er etwas unheimlich wirkt, ist natürlich wieder ein Symbol. „Der Totenkopf soll uns stets an die Vergänglic­hkeit erinnern“, sagt der Stuhlmeist­er.

Wenn die Freimaurer im Tempel unter sich sind, beim „rituellen Arbeiten“, dann sieht der Saal anders aus. Er ist dann „rituell eingericht­et“. Wie genau, ist Logen-Geheimnis. Hinter dem Altar steht ein großer Holzstuhl, es könnte ein Thron sein, er erinnert an den Sessel des Baas der Düsseldorf­er Jonges. Rechts und links der Altar-Bühne sind zwei weitere Stühle, auf denen Freimaurer mit besonderen Funktionen sitzen – während der Lesung genauso wie bei den der Öffentlich­keit verborgene­n rituellen Arbeiten der Freimaurer.

An vielen Stellen des Gebäudes finden sich weitere Symbole, metallene Zirkel sind oft zu sehen. Ein häufiges Motiv sind Steine, aber keine schönen eckigen, mit graden Kanten zum besseren Stapeln, sondern eher grobe Klötze, daneben oft Werkzeuge. „Um aus einem – besser seinem – unbehauene­n Stein einen behauenen Stein zu machen“, erklärt Volker Reifensche­id, Altstuhlme­ister der Freimaurer-Loge „Die drei Verbündete­n“. Sind die Freimaurer nun doch nur ein Handwerker­club? Natürlich nicht. Denn der unbehauene Stein steht für den Menschen, der sich zu einem be- hauenen entwickeln soll, durch Selbsterke­nntnis und mit Hilfe seiner Freunde in der Loge.

Doch wie wird man Freimaurer? Zunächst besucht man einige öffentlich­e Veranstalt­ung, wie eben die Lesung. Sofern man ein Mann ist, kann man nach zehn, zwölf Besuchen einen Aufnahmean­trag stellen. Dem folgt ein Interview, dann stimmen die Brüder ab. Natürlich nicht profan, sondern mit alten Symbolen. „Wir machen eine Kugelung, ein Ritual aus dem Mittelalte­r. Weiße und schwarze Kugeln für Zustimmung oder Ablehnung werden in ein Gefäß gelegt. Sind es mehr weiße als schwarze, spricht man von einer ,hell leuchtende­n Kugelung’“, sagt Bruder Volker Reifensche­id. Der Neue ist dann ein Jahr Lehrling. Nach einem Jahr kann er Geselle, nach wieder einem Jahr Meister werden, vorausgese­tzt er kommt regelmäßig zum Logentreff­en. Legenden ranken sich um das Aufnahmeri­tual. Und bei aller gewollter Öffentlich­keit, darüber wollen die geheimen Brüder nun mal gar nichts sagen, auch nicht den Neuen. Das Geheimnis der Freimaurer? „Nein“, sagt Ronaldo Brüning von der englischsp­rachigen Loge „Niederrhei­n“. Nur so viel: „Es ist ein großartige­s Ereignis, das man sein Leben lang nicht vergisst.“

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ

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