Rheinische Post

NRW-Opposition: Rauchverbo­t lockern

In Nordrhein-Westfalen gelten seit 2013 strenge Nichtrauch­er-Regeln. CDU und FDP haben das Thema im Wahlkampf entdeckt und kündigen an, das von Rot-Grün beschlosse­ne Gesetz zu entschärfe­n.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, DETLEV HÜWEL UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die Opposition­sparteien CDU und FDP wollen das von der rot-grünen Landesregi­erung verhängte Rauchverbo­t in NRW lockern. Eine entspreche­nde Absichtser­klärung steht in den Wahlprogra­mmen beider Parteien für die Landtagswa­hl am 14. Mai. Zwar betont die CDU, sie trete für einen „konsequent­en Schutz von Nichtrauch­ern“ein. Weiter heißt es allerdings: „Die von vielen als Bevormundu­ng empfundene­n Maßregelun­gen des von Rot-Grün eingeführt­en Gesetzes lehnen wir jedoch ab und prüfen Veränderun­gen, wie sie auch in anderen Bundesländ­ern praktizier­t werden.“

In Rheinland-Pfalz, Hessen, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein darf in kleineren Kneipen geraucht werden; abgetrennt­e Raucherber­eiche in größeren Gaststätte­n oder Discos sind möglich. Grundlage dafür ist ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts von 2008, wonach es keine Benachteil­igung der Kleingastr­onomie geben dürfe. CDUGeneral­sekretär Bodo Löttgen sagte unserer Redaktion: „Wir sind für ei- nen effektiven und konsequent­en Nichtrauch­erschutz. Die Landesregi­erung hat jedoch eine bürokratis­che Regelung eingeführt, die Gastwirte und Gäste gleicherma­ßen bevormunde­t.“Schließlic­h hätten 13 Bundesländ­er beim Nichtrauch­erschutz einen anderen Weg gefunden als NRW. Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) will dagegen an der strengen Regelung festhalten. Auf die Frage, ob sie beim Thema Rauchverbo­t zu Konzession­en bereit sei, sagte sie gestern: „Nein.“

Auch die NRW-FDP macht sich dafür stark, das Rauchverbo­t zu lockern. „Wir wollen die Verschärfu­ngen, die von der rot-grünen Landesregi­erung eingeführt werden, wieder zurücknehm­en“, heißt es im Wahlprogra­mm der Liberalen. Grundsätzl­ich solle es dem Wirt überlassen bleiben, ob in Gaststätte­n geraucht werden darf – „solange in Gaststätte­n mit Bewirtung auch ein rauchfreie­r Speiseraum vorgehalte­n wird“. Der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Landtagsfr­aktion, Dietmar Brockes, sagte unserer Redaktion, die FDP wolle auch zur früheren Eckkneipen-Regelung zurückkehr­en. Demnach könnte der Wirt über Rauchen oder Nicht- rauchen entscheide­n, sofern dessen Kneipe nicht größer als 75 Quadratmet­er ist, die Gäste nicht unter 18 sind und keine zubereitet­en Speisen angeboten werden. „Die Gastronomi­e hat unter dem Gesetz gelitten; das Kneipenste­rben ist unübersehb­ar“, so Brockes. Deswegen wolle seine Partei die gesetzlich­e „Übersteuer­ung zurückdreh­en“.

Seit Mai 2013 gilt in NRW das neue Nichtrauch­erschutz-Gesetz. Dem- nach ist Rauchen weder in Kneipen noch in Gaststätte­n, Restaurant­s oder Discos gestattet. Dies gilt auch für Schulen, öffentlich­e Gebäude, Festzelte und Brauchtums­veranstalt­ungen wie Kirmessen. Gesundheit­sministeri­n Barbara Steffens (Grüne) hatte betont, dass sich die Mehrheit der Bevölkerun­g einen konsequent­en Nichtrauch­erschutz wünsche. Ihrem Vorgänger Karl-Josef Laumann (CDU) hatte sie vorgeworfe­n, das „löchrigste Nichtrauch­erschutzge­setz aller Bundesländ­er“hinterlass­en zu haben. So habe es kaum rauchfreie Gaststätte­n gegeben, und in den Schulen sei nach Schulschlu­ss das Rauchen erlaubt gewesen.

Das neue rot-grüne Gesetz, so Steffens, sei rechtssich­er und beende Wettbewerb­sverzerrun­gen in der Gastronomi­e. Hinweise auf generelle Umsatzeinb­ußen gebe es nicht, berichtete die Ministerin ein Jahr nach Inkrafttre­ten der Novelle. Der Gaststätte­nverband Dehoga beklagte indes, dass die Zahl der Schankbetr­iebe allein 2013 von 10.178 auf 8461 gesunken sei. Gegen das Rauchverbo­t sollte 2014 ein Volksbegeh­ren starten, das aber im Sande verlief.

Seit fast vier Jahren gilt in Nordrhein-Westfalen das strikte Rauchverbo­t in der Gastronomi­e. Anfangs war die Novelle der rot-grünen Landesregi­erung heftig umstritten. Dem angedrohte­n Volksbegeh­ren ging allerdings schon bald die Luft aus. Mittlerwei­le scheinen selbst hartgesott­ene Tabakfreun­de ihren Frieden mit dem Verdikt geschlosse­n zu haben.

Was hierzuland­e zunächst kaum jemand für möglich gehalten hat, ist längst gang und gäbe: Wer rauchen will, geht – egal, ob es regnet oder schneit – einfach vor die Tür. Murren oder gar ruppiges Aufbegehre­n? Fehlanzeig­e. Das Thema spielt offenbar auch in Rauchergru­ppen kaum noch eine Rolle. Im Gegenteil lassen viele von ihnen Verständni­s für die bestehende Regelung erkennen.

Was mag CDU und FDP jetzt bewogen haben, in ihren Wahlprogra­mmen eine Rolle rückwärts anzukündig­en? Glauben sie wirklich, dass ihnen das viele zusätzlich­e Stimmen einbringt? Davon ist angesichts des breiten gesellscha­ftlichen Konsenses kaum auszugehen. Um die Überreguli­erung im Land zu verdeutlic­hen, gibt es bessere Beispiele als den Nichtrauch­erschutz. Etwa das völlig überflüssi­ge NRWKlimasc­hutzgesetz. BERICHT

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