Rheinische Post

Ein Controller soll Bahn-Chef werden

Überrasche­nde Wende: Nicht Infrastruk­tur-Vorstand Ronald Pofalla, sondern der kommissari­sche Bahn-Chef Richard Lutz soll Rüdiger Grube beerben. Der angeschlag­ene Aufsichtsr­ats-Chef kann auf eine Gnadenfris­t hoffen.

- VON ANTJE HÖNING

BERLIN Der Poker um den Chefposten der Deutschen Bahn geht zu Ende: Nun soll der bisherige Finanzvors­tand Richard Lutz an die Spitze des Staatskonz­erns rücken. Der 52Jährige werde bei der Aufsichtsr­atssitzung am 22. März zum Nachfolger von Rüdiger Grube ernannt, sagten mehrere mit der Personalie Vertraute der Agentur Reuters. Darauf hätten sich die Minister Alexander Dobrindt (CSU) und Wolfgang Schäuble ( CDU) mit Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD) verständig­t. Die Bahn wollte das nicht kommentier­en. Nachdem Grube im Streit um seine Vertragsve­rlängerung Ende Januar den Konzern überrasche­nd verlassen hatte, war Lutz bereits zum kommissari­schen Chef ernannt worden.

Damit haben sich die Hoffnungen von Infrastruk­tur-Vorstand Ronald Pofalla zerschlage­n, der auf mittlere Sicht als Bahn-Chef gehandelt worden war. Nun scheint Pofalla retten zu wollen, was zu retten ist. Der Niederrhei­ner selbst soll Lutz als BahnChef ins Gespräch gebracht haben, hieß es. Frei nach dem Motto: Wenn ich nicht König werden kann, will ich wenigstens Königsmach­er sein. Pofalla war auf vielfachen Widerstand gestoßen: Die SPD hatte Vorbehalte gegen den früheren CDUPolitik­er, der unter anderem Kanzleramt­sminister von Angela Merkel war. Und das, obwohl die SPD im Gegenzug einen der Ihren, den früheren Tui-Chef Michael Frenzel, als neuen Aufsichtsr­ats-Chef hätte durchsetze­n können. Auch die CSU hatte Vorbehalte gegen Pofalla.

Hinzu kam, dass Grubes Rücktritt zu früh kam für Pofalla. Der Ex-Politiker ist erst seit zwei Jahren bei der Bahn. Er galt als (noch) nicht reif für die Lenkung des größten deutschen Arbeitgebe­rs mit 300.000 Beschäf- tigten und 40 Milliarden Euro Umsatz. Auch bei den Arbeitnehm­ervertrete­rn stieß Pofalla auf Zurückhalt­ung. Zwei streiklust­ige Gewerkscha­ften machen das Tarif- und Personal-Geschäft bei der Bahn besonders herausford­ernd.

Richard Lutz wurde 1964 im pfälzische­n Landstuhl geboren. Er stu- dierte Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Universitä­t Saarbrücke­n und war wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r in Kaiserslau­tern. Direkt nach der Uni heuerte er 1994 bei der Deutschen Bahn AG an. Er übernahm das Controllin­g. Seit 2010 ist Lutz Finanzvors­tand, seit 2015 auch für die internatio­nalen Geschäfte Arriva und Schenker zuständig. Ob der Kaufmann über genug politische Erfahrung für einen so politische­n Konzern verfügt, muss sich zeigen.

Offen ist, was aus Aufsichtsr­atschef Utz-Hellmuth Felcht wird. Der frühere Degussa-Chef hat eine sehr unglücklic­he Figur gemacht, ihm wird auch der Grube-Rücktritt angelastet. Weder habe Felcht die Krise kommen sehen noch diese in der denkwürdig­en Aufsichtsr­atssitzung abwenden können. Womöglich bekommt Felcht nun eine Gnadenfris­t bis nach der Bundestags­wahl, wenn die neue Regierung sich auch mit der Weichenste­llung für den Staatskonz­ern befassen muss.

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FOTO: IMAGO Der Betriebswi­rt Richard Lutz (links) war lange Finanzvors­tand an der Seite von Bahn-Chef Rüdiger Grube. Der hatte Ende Januar im Streit um seine Vertragsve­rlängerung das Handtuch geworfen.

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