Türkische Wahlkampfpläne für NRW
Ankara sieht bis zu zehn weitere Auftritte türkischer Politiker an Rhein und Ruhr vor. Das Saarland will Termine mit ausländischen Akteuren verbieten. Die Bundesregierung behält sich ein Einreiseverbot vor.
BERLIN Türkische Politiker planen eine Reihe weiterer öffentlicher Auftritte in Deutschland, davon bis zu zehn in Nordrhein-Westfalen und drei allein in Düsseldorf. Dies geht aus einer Liste der türkischen Botschaft vom 8. März hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Das nordrhein-westfälische Innenministerium versicherte gestern hingegen, dass der Landesregierung keine konkreten Hinweise auf weitere Auftritte türkischer Politiker vorlägen. Es ist offen, ob tatsächlich alle als geplant aufgelisteten Termine stattfinden sollen.
In dem Schreiben an das Auswärtige Amt heißt es, dies sei eine Liste künftiger Besuche von türkischen Abgeordneten, Ministern und „anderen hochrangigen Regierungsvertretern“. Der Liste zufolge wären zwischen dem 17. und 19. März sowie zwischen dem 22. und 24. März jeweils Chefberater des türkischen Präsidenten Erdogan in Düsseldorf. Für den 25. oder 26. März ist ein Auftritt des Generalsekretärs der türkischen Regierungspartei AKP ge- plant, die Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützt. Erdogan lässt am 16. April über eine Verfassungsänderung abstimmen, die ihm als Präsident mehr Macht geben würde. Türkische Spitzenpolitiker wollen dafür Wahlwerbung bei ihren Landsleuten in der EU machen.
Die Bundesregierung hat ein Auftrittsverbot bisher abgelehnt. Nun aber sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, man behalte sich ein Einreiseverbot vor: „Dass die Bundesregierung bisher nicht ihre völkerrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, ist keine Freikarte für die Zukunft.“
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die sich am 26. März einer Landtagswahl stellen muss, kündigte bereits ein Verbot von Kundgebungen ausländischer Politiker an. „Wahlkampfauftritte, die den inneren Frieden in unserem Land gefährden, gehören verboten“, sagte sie. Kramp-Karrenbauers Vorstoß ist vom Aufenthaltsrecht gedeckt, wonach die politische Betätigung von Ausländern eingeschränkt werden kann.
Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), forderte weitere Konsequenzen der Bundesregierung: „Höchste Zeit, dass Schluss gemacht wird mit den Beitrittsverhandlungen, wie das die FDP und das Europäische Parlament vorschlagen. Leider eiert die große Koalition bei diesem Thema weiter herum.“Einer Organisation beizutre- ten, deren politische Äußerungen man für wertlos halte, sei ja offensichtlich sinnlos, sagte er.
Erdogan legte gestern nach. Den Niederlanden warf er wegen der Auftrittsverbote für türkische Spitzenpolitiker „Staatsterrorismus“und „neonazistische Gesinnung“vor. Seine Kritik übertrug er auch auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Wir wissen ohnehin, dass du dich von denen nicht unterscheidest“, schimpfte Erdogan: „Kanzlerin Merkel stellt sich auch auf die Seite Hollands. Schande über dich!“In dem sich von Tag zu Tag zuspitzenden Streit zwischen den Niederlanden und der Türkei hatte Merkel Den Haag ihre „volle Unterstützung und Solidarität“zugesichert.
Erdogan gab zudem den Niederländern die Verantwortung für das Massaker von Srebrenica 1995, bei dem bosnisch-serbische Truppen 8000 muslimische Bosniaken ermordet hatten. Sie standen damals unter dem Schutz niederländischer Blauhelm-Soldaten. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte wies dies als „widerliche Geschichtsverfälschung“zurück. Leitartikel
DÜSSELDORF Seit NRW-Arbeits- und Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) seine Gegenspielerin von der CDU, Serap Güler, öffentlich als „gut aussehende, schwarzhaarige Dame“bezeichnete, deren Pressemitteilungen „Gott sei Dank“niemand abdrucke, hat die Landesregierung ihre Sexismus-Debatte. Umso mehr, als Schmeltzer diese Äußerung in einen Zusammenhang mit einer Bewertung ihrer politischen Arbeit brachte.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) lässt ihrem Minister den Fehltritt dennoch durchgehen, indem sie seine halbherzige Entschuldigung akzeptiert. Auf die Frage der CDU-Fraktion, ob sie es für tolerabel halte, dass ein Mitglied ihres Kabinetts sexistische Aussagen tätige, heißt es in der Antwort von Franz-Josef LerschMense, dem Chef der Staatskanzlei, im Namen der Landesregierung schlicht: „Nein.“Auch zu einem Gespräch wolle Kraft den Minister nicht einladen. Ebenso knapp fällt die Antwort auf die Frage nach den Konsequenzen aus: „Keine“, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage der CDU.
Die Reaktion der Landesregierung legt nahe, dass die Ministerpräsidentin das Problem offenbar verdrängen will. Doch was als harmloses Kompliment heruntergespielt werden soll, ist in Wahrheit purer Sexismus. Dabei ist es einerlei, ob die Äußerung des Ministers in diesem Kontext positiv oder negativ gemeint war. Entscheidend ist, dass der Minister die Sachebene verließ und ein auf jahrhundertealten Stereotypen basierendes Urteil über eine politische Gegnerin fällte. Dies ist umso bestürzender, als es sich um den Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen handelt.
Wie weit Minister Schmeltzer eigentlich danebengriff, wird noch deutlicher, wenn man den Auslöser des Vorurteils, in diesem Fall das Geschlecht, durch vergleichbare Merkmale ersetzt wie se- xuelle Orientierung oder Herkunft. Wie groß wäre wohl die Aufregung, wenn der Minister einem Politiker aufgrund seiner Homosexualität oder Hautfarbe Komplimente gemacht hätte, statt sich mit den Inhalten seiner Politik auseinanderzusetzen? Das Fatale an solchen Äußerungen ist, dass die Auseinandersetzung über Inhalte dann meist gar nicht mehr stattfindet.
Diese Mechanismen sind lange bekannt. Neu ist, dass Frauen sich öffentlich immer häufiger gegen Sexismus zur Wehr setzen. Und dass die Öffentlichkeit zunehmend sensibel reagiert.
Jüngstes Beispiel ist der Fall des polnischen EU-Abgeordneten Janusz Korwin-Mikke, der nach sexistischen Aussagen für zehn Tage von Aktivitäten des Europäischen Parlaments suspendiert wird. Korwin-Mikke hatte während einer Debatte zur ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen am 1. März gesagt: „Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer, denn sie sind schwächer, kleiner und weniger intelligent.“Parlamentspräsident Antonio Tajani sagte, er werde „solches Verhalten nicht tolerieren“. Indem Korwin-Mikke „alle Frauen“beleidige, habe er „Verachtung für unsere grundlegendsten Werte“gezeigt.
Ein weiterer prominenter Fall war der von Jenna Behrends, einer 26-jährigen CDU-Lokalpolitikerin aus Berlin. Sie hatte im Oktober 2016 mit einem offenen Brief im feministischen OnlineMagazin „Edition F“Aufsehen erregt, in dem sie den Sexismus in ihrer eigenen Partei anprangert. Behrends, die in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Mitte sitzt, hatte darin unter anderem davon berichtet, dass sie von Frank Henkel, damals Innensenator und Landesverbandsvorsitzender, als „große süße Maus“bezeichnet worden sei. Zudem sei ihr unterstellt worden, sie wolle sich für den Sitz in der BVV „hochschlafen“, ihr seien mehrere Affären angehängt worden. Henkel äußerte sich daraufhin enttäuscht über die Form des öffentlichen Briefes und offenbarte den Wunsch, das Ganze mit Behrends persönlich zu klären.
Auch an der Eignung von Katja Suding, der FDP-Parteivorsitzenden in Hamburg, wurde öffentlich gezweifelt, indem sie auf ihr Äußeres reduziert wurde. Nachdem die Hamburger FDP mit Suding als Spitzenkandidatin bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 7,4 Prozent geholt hatte, verstieg sich der baden-württembergische GrünenPolitiker Jörg Rupp bei Twitter zu dem Satz: „Muss man sich mal vorstellen: mit Titten und Beinen anstatt Inhalten.“Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Rupp entschuldigte sich, er habe die sexistische Wahlkampagne der FDP anprangern wollen und sich dabei leider selbst sexistisch geäußert. Für Suding war der Fall damit erledigt.
Sexismus betrifft auch Politikerinnen in höchsten Ämtern wie etwa Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Harald Kujat, Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, hatte 2014 ihr Modernisierungsprogramm kritisiert und gesagt, sie habe „ganz offensichtlich keine Ahnung vom Militär“. Sie komme ihm vor „wie eine gute Hausfrau, die ihre Kinder versorgt“. Wenig später entschuldigte er sich dafür.
Der Sexismus-Vorfall, der zuletzt am intensivsten diskutiert wurde, betraf indes keine Politikerin. Im Mittelpunkt stand vielmehr die „Stern“-Reporterin Laura Himmelreich, die den FDP-Politiker Rainer Brüderle im Januar 2013 unter dem Titel „Der Herrenwitz“porträtiert und dabei unter anderem mit dem Satz „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“zitiert hatte. Über ein Jahr lang schwieg Brüderle dazu, den Satz dementierte er nicht, entschuldigt hat er sich bis heute nicht. Himmelreich löste mit ihrem Artikel eine gesamtgesellschaftlich geführte Debatte zum Thema Sexismus aus, die Feministin Anne Wizorek prägte nur einen Tag nach Erscheinen des Textes den viralen TwitterHashtag „Aufschrei“, unter dem binnen kürzester Zeit Zehntausende Frauen und Männer ihre Erfahrungen mit Sexismus im Alltag teilten.
Auch in der Wirtschaft kommt Sexismus oft vor. Legendär ist inzwischen der Satz des damaligen Deutsche-BankChefs Josef Ackermann, der 2011 sagte, mit Frauen im Vorstand der Bank würde es dort „farbiger und schöner“. CSUPolitikerin Ilse Aigner, damals Verbraucherschutzministerin, konterte: „Wer es farbiger und schöner mag, soll auf eine Blumenwiese gehen oder ins Museum.“Der Vorstand war damals frauenfrei.
Ackermann hatte immerhin nicht wiederholt, was 2001 der damalige Deutsche-Bank-Finanzchef Clemens Börsig gesagt hatte: Frauen sollten nicht nur vertikal, sondern auch „horizontal“Ambitionen entwickeln.
„Frauen sind schwächer, kleiner und weniger intelligent als Männer“
Janusz Korwin-Mikke EU-Abgeordneter