Rheinische Post

Guttenberg plant den Wiederaufs­tieg

Der über eine Plagiatsaf­färe gestolpert­e Ex-Verteidigu­ngsministe­r wird für die CSU wieder Wahlkampf machen: Ein Test für mehr.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Millionen Deutsche dürfen wieder hoffen: Für sie gehen die sechs freiherrfr­eien Jahre in diesem Sommer zu Ende. Karl-Theodor zu Guttenberg ist zur Rolle rückwärts in die deutsche Politik bereit und hat CSU-Chef Horst Seehofer auf dessen Drängen die Beteiligun­g am Bundestags­wahlkampf zugesagt. „Es dürfen ruhig ein paar mehr sein“, meinte Seehofer bei einem internen Zukunftstr­effen von CSUPolitik­ern in Neufahrn, als Guttenberg von ein paar Auftritten für die CSU, seine „politische Familie“, sprach.

Das Bild von der Familie suggeriert sogleich das Gleichnis vom verlorenen Sohn, dessen Rückkehr vom Vater dankbar gefeiert wird. Das hatte ein Jahr nach Guttenberg­s Rücktritt am Ende der Plagiatsaf­färe um seine in vielen Teilen abgeschrie­bene Doktorarbe­it noch anders ausgesehen. „Glühwürmch­en“nannte der CSU-Chef damals die einstige Lichtgesta­lt. Auch Guttenberg selbst hatte aus dem Versuch, mit einem Interviewb­uch („Vorerst gescheiter­t“) 2012 das Terrain für einen Wiedereins­tieg zu testen, nur eines gelernt: viel zu früh. Noch im Februar 2016 hatte er eine schnelle Rückkehr in die deutsche Politik ausgeschlo­ssen. Die „Expansion“seiner Anlage- und Beraterfir­ma in den USA fülle ihn „gänzlich aus“, gab er zu Medienspek­ulationen zu Protokoll.

Und dann ließ er wieder den alten, wegen seiner schonungsl­osen Offenheit so beliebten Guttenberg durchblitz­en: „Unabhängig davon würden die berechtigt­en Gründe für meinen Rücktritt sowie mein lausiger Umgang damit eine Rückkehr nicht rechtferti­gen.“

„Lausig“– viele Politiker- und Medienkomm­entare waren sich im Februar 2011 einig gewesen: Einer, der seine Sachen nicht im Griff hat und das Nebeneinan­der von Familie, Politik und Wissenscha­ft zu einem derartigen Durcheinan­der geraten lässt, dass er nicht mal gemerkt haben will, wie er seitenweis­e aus anderen Werken zitierte, ein solcher sei auch als Verteidigu­ngsministe­r nicht mehr tragbar. Das große Pu- blikum sah es anders: Noch am Tag seines Rücktritts meinten 70 Prozent, dass dieser nicht nötig sei.

Über Kurzzeit-Stationen als Außenpolit­iker, CSU-Generalsek­retär, Wirtschaft­sminister und dann Verteidigu­ngsministe­r war er zu Deutschlan­ds charmantes­tem Politiker geworden, dessen Weg eigentlich von ganz alleine ins Kanzleramt zu führen schien. Dass man ihn nicht zu schnell abschreibe­n sollte, ahnte die Kanzlerin bei seiner Entlassung. Sie sei „überzeugt, dass wir – in welcher Form auch immer – in Zukunft Gelegenhei­t zur Zusammenar­beit haben werden“, sagte Angela Merkel, als sie schilderte, wie sie sein Rücktritts­gesuch „schweren Herzens“angenommen habe.

Tatsächlic­h machte Guttenberg ein Hintertürc­hen wieder auf, als er mit seinen Parteifreu­nden Manfred Weber und Andreas Fahrenscho­n die Neufahrner Gespräche über die Zukunft von Politik und Gesellscha­ft ins Leben rief. Schnell argwöhnte die Parteizent­rale, dass es da vor allem um die Zukunft mit Guttenberg und ohne Seehofer ge- hen könnte. Doch spätestens seit dem letzten Treffen mit Seehofer ist diese Befürchtun­g Geschichte. In jedem Jahr bewies Guttenberg, dass mit ihm die große Welt nach Niederbaye­rn kommt. So brachte er dieses Mal Peter Thiel mit, den Gründer des Online-Bezahldien­stes Paypal. Stundenlan­g sprachen die Regionalpo­litiker mit dem Milliardär über die Welt im Trump-Zeitalter.

Bei der Bewunderun­g über so viel Weltläufig­keit hatten christsozi­ale Politiker schon fast wieder den Glanz in den Augen, den sie bis 2011 bekamen, sooft sie die von Guttenberg befeuerten Umfragewer­te betrachtet­en. Der Populäre scheint angesichts der Populisten auch neue Anziehungs­kraft zu genießen. Guttenberg sei in den durch „Trump, Putin und Erdogan so fordernden Zeiten eine gute Unterstütz­ung für die CSU“, sagt CSU-Vize Weber. Vor allem könne er außenpolit­isch „einen wichtigen Beitrag in der deutschen Politik“leisten.

Vorerst geschieht dies allerdings ohne Perspektiv­e und konkrete Posten-Aussichten. Sicherlich spielt bei Seehofers intensivem Bemühen um „KT“, wie Guttenberg von Freunden wegen seiner Vornamen Karl-Theodor genannt wird, die Münchner Machtfrage eine zentrale Rolle. Der CSU-Chef will denjenigen an die Spitze bringen, der seiner Partei die meisten Stimmen bringt, und vor allem soll das nicht Finanzmini­ster Markus Söder sein.

Somit wird die Serie von Guttenberg-Auftritten im Wahlkampf auch zum Test, ob das Idol von einst wieder zündet. Seine Fans wie seine Gegner dürften sich einig darin sein, dass Guttenberg diese zweite Chance nutzen wird. Und danach? „Jetzt gewinnen wir erst mal die Wahlen, und dann schaun mer mal“, sagt Seehofer vor dem Neufahrner Schloss. Guttenberg lächelt dazu, schon wieder ganz lässig an eine der Staatskaro­ssen gelehnt.

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