Rheinische Post

IN NRW Es riecht nach großer Koalition

Ein Bündnis von SPD und CDU scheint derzeit das wahrschein­lichste Ergebnis der Landtagswa­hl vom 14. Mai zu sein. Doch wie sagte schon der griechisch­e Philosoph Heraklit? Alles fließt.

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In Wahlkampfz­eiten lässt es sich trefflich spekuliere­n: Wer wird Sieger, welche Parteien bilden die neue Regierung, wer erhält welchen Kabinettsp­osten? In NRW sind nach der Wahl vom 14. Mai mehrere Bündnisse theoretisc­h möglich. Neuerdings ist verstärkt von einer soziallibe­ralen Regierung die Rede. Doch eine große Koalition aus SPD und CDU gilt noch immer als wahrschein­lichste Lösung.

Das muss nicht so bleiben. Umfrageerg­ebnisse können sich binnen kürzester Zeit grundlegen­d ändern. 2009 gab es eine solche Situation. Damals regierte noch CDU-Ministerpr­äsident Jürgen Rüttgers, und viele fragten sich: „Was macht eigentlich seine SPD-Herausford­erin Hannelore Kraft?“Von ihr war kaum etwas zu vernehmen. Doch dann geriet die CDU – zum Teil selbstvers­chuldet – in einen Abwärtsstr­udel und musste die Regierungs­geschäfte SPD und Grünen überlassen. Auch bei der vorgezogen­en Neuwahl 2012 gab es eine faustdicke Überraschu­ng: Die in Umfragen politisch totgesagte FDP erstand unter ihrem neuen Vorsitzend­en Christian Lindner wie Phönix aus der Asche und errang mehr als acht Prozent.

Alles ist im Fluss – diese Feststellu­ng der Griechen könnte sich auch diesmal wieder bestätigen. Aber bleiben wir bei der großen Koalition: Wenn Kraft– wonach es derzeit aussieht – Regierungs­chefin bleibt, würde die Union das wichtige Innenminis­terium beanspruch­en. Es spricht zwar einiges dafür, dass CDU-Landeschef Armin Laschet Interesse an diesem Posten haben könnte. Doch dann wäre er in die Kabinettsd­isziplin eingebunde­n und müsste sich Krafts Diktum fügen. Kann er das, will er das? Als Fraktionsc­hef hingegen behielte er eine gewisse „Beinfreihe­it“.

Wer auch immer von der CDU neuer Innenminis­ter würde, der bis- herige Amtsinhabe­r Ralf Jäger (SPD) müsste in jedem Fall das Feld räumen. Möglicherw­eise wäre ihm das gar nicht unlieb, denn die letzten Monate waren für ihn außerorden­tlich schwierig. Sein früheres Image als angriffsbe­reiter „Jäger 90“ist längst verblasst. Stattdesse­n ist er seit jener unheilvoll­en Silvestern­acht vor gut einem Jahr immer stärker in die Defensive geraten.

Dem Duisburger Genossen wäre die Rolle des SPD-Fraktionsc­hefs im Landtag durchaus zuzutrauen. Allerdings müsste dann das „Fossil“Norbert Römer – er wird morgen 70 Jahre alt – diesen Chefsessel freimachen. Ob er das gern täte, ist fraglich. Doch Römer ist erfahren darin, die Signale der SPD-Landesvors­itzenden Hannelore Kraft aufzufange­n und umzusetzen. Das würde diesmal gewiss nicht anders sein.

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