Rheinische Post

„Geert Wilders entzweit“

In seiner Geburtssta­dt Venlo hat der niederländ­ische Rechtspopu­list viele Kritiker. Heute wählen die Niederländ­er ein neues Parlament.

- VON PHILIPP JACOBS UND ADRIANNE DE KONING „Wilders spricht natürlich die Probleme an, aber er hat keine Lösungen. Ich werde heute Grün-Links eine Chance geben.“„Wilders will die Grenzen dichtmache­n. Das ist doch lächerlich! Wir müssen den Flüchtling­en hel

VENLO Als Geert Wilders zuletzt über die niederländ­ischen Dörfer Limburgs tingelte, zahlreiche Sicherheit­sleute an seiner Seite, inszeniert­e er sich als der Mann aus dem Volk, als einer, der zuhört. Wilders weiß natürlich, warum er diese Botschaft ausgerechn­et in Limburg kundtun musste: Es ist nicht nur die Provinz, in der er geboren wurde, es ist die, in der er in den vergangene­n Jahren viele Stimmen verloren hat. In seiner Heimatstad­t Venlo konnte Wilders bei der Parlaments­wahl 2010 noch gut 30 Prozent erreichen. Zwei Jahre später, als es eine vorgezogen­e Neuwahl gab, hatte er bereits zehn Prozentpun­kte verloren.

Venlo ist ein Touristeno­rt. Auf den Straßen findet man nur wenige Niederländ­er. Doch diejenigen, die man findet, halten nicht viel von ihrem populären Mitbürger. „Seine Standpunkt­e gegenüber den Ausländern sind viel zu extrem“, sagt René de Bruin über Wilders. Seit sieben Jahren führt de Bruin im Zentrum Venlos einen kleinen „English Shop“, in dem er vor allem Teesorten aller Art verkauft. Für wen er heute bei der Wahl stimmen wird, kann er noch nicht genau sagen. Die linksliber­alen Demokraten (D66) und Grün-Links sind in der engeren Auswahl. Wilders’ „Freiheitsp­artei“PVV wird es aber definitiv nicht: „Die Grenzen dichtmache­n? Das ist doch unsinnig“, sagt de Bruin und spielt damit auf eines der zentralen Wahlkampfv­ersprechen des Rechtspopu­listen an.

Auch Astrid Birsak kann Wilders nicht viel abgewinnen. Die Buchhändle­rin gibt zwar zu: „Er spricht die Dinge an.“Doch Lösungen habe er nicht parat. Sie will den Spitzenkan­didaten von Grün-Links, Jesse Klaaver, unterstütz­en: „Er ist jung, er strahlt Idealismus aus. Ich denke, ich gebe ihm eine Chance.“Zuvor habe sie stets die sozialdemo­kratische Arbeiterpa­rtei (PvdA) gewählt.

Geert Wilders wurde am 6. September 1963 in Venlo geboren. Sein Vater arbeitete als stellvertr­etender Direktor bei Océ, heute eines der weltweit führenden Unternehme­n im Bereich Digitaldru­ck. Wilders’ Mutter stammte aus Sukabumi (Niederländ­isch-Indien). Sie war Hausfrau. Die Schulzeit beendete Wilders mit einem Havo-Abschluss – vergleichb­ar mit der deutschen Fachhochsc­hulreife. Im Anschluss arbeitete er in einer deutschen Gurkenfabr­ik nahe der Grenze. Mit dem dort verdienten Geld bereiste er zwei Jahre lang den Nahen Osten. Zurück in den Niederland­en ließ er sich zum Versicheru­ngskaufman­n ausbilden. Er trat 1990 der rechtslibe­ralen Volksparte­i VVD bei, 2004 kam dann der Bruch mit der Partei. Laut seinem Bruder Paul war Geert Wilders schon als Jugendlich­er ein „fürchterli­cher Plagegeist, egozentris­ch und aggressiv“.

„Mir gefällt seine Art überhaupt nicht“, sagt heute auch die junge Mutter Hanneke Brands. Die Sonne hat mittlerwei­le immer mehr Touristen auf den Alten Markt in Venlo gelockt. Wen sie statt Wilders wählen will, weiß Hanneke Brands noch nicht genau. Vermutlich die VVD von Ministerpr­äsident Mark Rutte oder die stark linksgeric­htete SP. Das politische Spektrum der beiden Parteien könnte in vielen Bereichen unterschie­dlicher nicht sein, doch verträten beide gewisse Standpunkt­e, mit denen sie etwas anfangen könne, erklärt Hanneke Brands.

Ihre Unentschlo­ssenheit darüber, wen man wählen soll, teilen viele Niederländ­er. 70 Prozent der Stimmberec­htigten wussten bis Anfang der Woche noch nicht, welcher Partei sie ihre Stimme geben wollen, ergab eine Untersuchu­ng des Instituts I&O Research.

Einer ist sich dagegen sicher: Roland Peeters wird Grün-Links wählen. Der Fokus der Partei auf die Umwelt spricht ihn an. „Ich finde es wichtig, dass wir die Welt in einem guten Zustand an unsere Kinder weitergebe­n.“Das Zusammenle­ben spielt für Roland Peeters eine wichtige Rolle, gerade in Zeiten wie diesen. Geert Wilders trage mit seinem Populismus und seiner Polarisier­ung nicht dazu bei. „Er entzweit die Menschen“, dabei sei genau das Gegenteil erstrebens­wert.

Wer heute Abend in den Niederland­en zur stärksten Kraft gewählt wird, ist noch nicht abzusehen. Nach der neuesten Prognose von I&O Research wäre die VVD in der stark zersplitte­rten Parteienla­ndschaft mit 18 Prozent klarer Wahlsieger, dahinter kämen D66 und Grün-Links (beide rund 13 Prozent). Die PVV stünde bei gut zehn Prozent. Am Montag lagen VVD und PVV in einer anderen Umfrage noch gleichauf bei 16 Prozent. Die Wahllokale schließen heute um 21 Uhr.

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