Rheinische Post

Der Brexit rückt näher

Oberhaus stimmt für EU-Austritt, schottisch­e Ministerpr­äsidentin wird zum Gesicht der Brexit-Opposition.

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON Grünes Licht für Theresa May: Die britische Premiermin­isterin hat jetzt die Vollmacht, den britischen Austritt aus der Europäisch­en Union einzuleite­n. Das Oberhaus hat ein entspreche­ndes Gesetz ohne jede Änderung passieren lassen. Zuvor hatte die Adelskamme­r noch versucht, Gesetzeszu­sätze durchzuset­zen über die Garantie der Rechte der EU-Bürger im Land sowie über ein Mitsprache­recht des Parlaments bei den Brexit-Verhandlun­gen. Doch nachdem das Unterhaus diese Änderungen abgelehnt hatte, lenkten die Lords ein: Man akzeptiert­e, dass man sich als ungewählte Kammer nicht gegen den Willen der Volksvertr­eter stellen kann. Genau das, was Theresa May wollte. Ohne die Gesetzeszu­sätze hat sie jetzt freie Hand bei den Verhandlun­gen.

Allerdings macht ihr Nicola Sturgeon einen Strich durch die Rechnung. Die Vorsitzend­e der „Scottish National Party“(SNP) und Ministerpr­äsidentin der schottisch­en Regionalre­gierung hat mit ihrer Ankündigun­g, eine neues Referendum über die Unabhängig­keit Schottland­s anzusetzen, einen politische­n Sturm ausgelöst. Der harte Brexit, den May ansteuere, so Sturgeon, mache es unumgängli­ch, dass Schottland selbst über seine Zukunft entscheide­n müsse. Immerhin hatten fast zwei Drittel der Schotten gegen den Brexit gestimmt. Sturgeon will ihre Fürspreche­rin sein und wird so zum Gesicht der Brexit-Opposition. Ein Tweet der Schottin brachte es gestern Morgen auf den Punkt: „Ich bin mit einem klaren Mandat für ein Unabhängig­keitsrefer­endum gewählt worden“, erklärte Sturgeon. „Die Premiermin­isterin ist bisher von niemandem gewählt worden.“

Da hat sie recht:. May kam durch Akklamatio­n ins Amt, nachdem die anderen Kandidaten um den Parteivors­itz ausgeschie­den waren. Für ihren kompromiss­losen Kurs beim Brexit, der einen Abschied vom Binnenmark­t und den Austritt aus der Zollunion vorsieht, hat May kein Mandat. Sie beruft sich auf die Referendum­sentscheid­ung der Briten, aber die bedeutete lediglich einen Austritt aus der EU. Sturgeon drängt daher, Schottland im Binnenmark­t zu belassen – bisher vergeblich.

Es wird wohl ein harter Brexit, so sehr sich Opposition­spolitiker dagegen sträuben. Allerdings dürfte zumindest die Terminplan­ung schwierig werden. Eigentlich war die Erklärung von May, den Artikel 50 auslösen zu wollen, für Dienstag geplant. Sturgeon hatte May jedoch tags zuvor mit ihrem Referendum­spaukensch­lag den Wind aus den Segeln genommen. Jetzt wird die Premiermin­isterin noch warten müssen. Die offizielle Ankündigun­g des Austrittsw­unschs wird jetzt für Ende März erwartet.

Spannend könnte es auch beim schottisch­en Unabhängig­keitsrefer­endum werden: Sturgeon möchte die Volksabsti­mmung schon ab Herbst 2018, May deutlich später und erst nach erfolgtem Brexit.

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