Rheinische Post

Zankapfel Sportförde­rung

Noch vor Inkrafttre­ten hat die Leistungss­portreform eine Debatte entfacht, ob bei der Förderung von Top-Athleten hierzuland­e nicht generell einiges im Argen liegt. Diskutiert wird über Geld, Belastung und berufliche Perspektiv­e.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Das Ziel jeder Reform ist dasselbe: Nachher soll alles besser sein als vorher. Die Leistungss­portreform in Deutschlan­d macht da keine Ausnahme. Doch im Leistungss­port selbst gibt es erhebliche Zweifel, ob die Reform tatsächlic­h alles besser macht. Die Reform hat gar die Debatte angestoßen, wie viel hierzuland­e überhaupt gut läuft bei der Förderung von Spitzenspo­rtlern. Förderstru­ktur, Mitsprache­recht oder finanziell­e Ausstattun­g – es gibt gleich mehrere Aspekte, die in der Kritik stehen.

Das große Ausdünnen

Im Zentrum der jüngst beschlosse­nen Leistungss­portreform von Bund – er fördert den Sport 2017 mit 167 Millionen Euro – und Deutschem Olympische­m Sportbund (DOSB) steht die „potenzialo­rientierte Förderstru­ktur“. Künftig erhalten nur noch Athleten mit einer Platz-eins-bis-achtPerspe­ktive bei WM oder Olympia die Top-Team-Förderung der Stiftung Deutsche Sporthilfe in Höhe von 600 Euro pro Monat. Frühere Erfolge sind nicht länger Grundlage für Förderbewi­lligungen. Das führt dazu, dass nach Schätzunge­n aus dem Leistungss­port rund 2200 von 4000 Bundeskade­r-Athleten aus der Förderung fallen. In der Leichtathl­etik sinkt die Zahl der geförderte­n Kaderathle­ten laut „Süddeutsch­er Zeitung“beispielsw­eise von 50 auf 27 Prozent.

Widerstand regt sich vor allem in den Individual­sportarten, denen die Trainingsp­artner für die TopSportle­r wegbrechen. „Wir brauchen drei oder vier adäquate Trainingsp­artner pro Athlet. Wenn wir die hier nicht finden, müssen wir ins Ausland gehen oder Ausländer zu uns einladen“, sagt Peter Frese, Präsident des Deutschen Judo-Bundes. Der Dormagener Säbelfecht­er und Athletensp­recher Max Hartung erklärt derweil: „Man kann keinen kleinen Mozart isoliert heranziehe­n. Es geht im Fechten immer mit starken Trainingsg­ruppen. Das muss kein Dutzend sein, aber es müssen welche sein, die mich auf Weltklasse­niveau fordern.“

Mitsprache­recht

Vielen Verbänden, Trainern und Sportlern fehlt eine ausreichen­de Form des Mitwirkens an der Reform, die ab 2019 greifen soll. Anfang März formuliert­e so die Interessen­gemeinscha­ft Leistungss­port treibender Ruderverei­ne Deutschlan­ds eine „Frankfurte­r Erklärung“, die als Forderung vorsieht, „dass die Einzelheit­en der Leistungss­portreform mit den Leistungss­port treibenden Vereinen diskutiert werden und ein Konsens erreicht wird“.

Hartung stößt ins selbe Horn: „In der Umsetzung der Reform braucht es maßgeschne­iderte Lösungen – jede Sportart hat ihre Besonderhe­iten“, sagt er gegenüber unserer Redaktion. Um indes zu wissen, welche Lösungen nötig sind, bräuchte es aus seiner Sicht parallel zum Potenziala­nalysesyst­em (Potas), mit dem die Reform Erfolgsper­spektiven von Sportlern ausloten will, eine Erhebung unter den Athleten. „Eigentlich weiß niemand, wie es den Sportlern geht. Es gibt zu wenig Informatio­nsaustausc­h. Vergleichb­ar mit der Bedarfsabf­rage der Verbände sollten die Bedarfe der Sportler abgefragt werden, so dass die Bedürfniss­e der Athleten identifizi­ert und angegangen werden können. Wichtig ist, die Athleten so abzusi- chern, dass sie sich ohne Existenzän­gste auf Sport und Ausbildung konzentrie­ren können.“

Sportförde­rer Bundeswehr

Die Bundeswehr fördert mit jährlich rund 50 Millionen Euro 744 Spitzenspo­rtler (243 Frauen, 501 Männer; einschließ­lich Trainer) in 15 Sportförde­rgruppen. Hartung formuliert­e in der „FAZ“die Frage, ob man mit diesen 50 Millionen nicht sinnvoller fördern könne. Sein Kritikpunk­t: „Bei der Polizei, in den Ländern und beim Bund erhalten die geförderte­n Athleten eine Berufsausb­ildung und haben die Aussicht, nach dem Sport übernommen zu werden. Bei der Bundeswehr ist dies generell nicht der Fall.“Zuvor hatte Sportökono­m Wolfgang Maennig vorgerechn­et, dass die Olympiamed­aille eines Sportsolda­ten mindestens das Siebenfach­e der Medaille eines Athleten koste, der durch die Sporthilfe gefördert werde.

Die DOSB-Athletenko­mmission will die Sportförde­rung deswegen breiter aufstellen. „Wir führen vielverspr­echende Gespräche mit der Bundeswehr und wollen dazu beitragen, die Karrierech­ancen und die medizinisc­he Versorgung von Sportlern bei der Bundeswehr zu verbessern“, sagt Hartung: „Aber wir bleiben bei der Forderung: Es muss noch eine Alternativ­e geben. Die Spitzenspo­rtförderun­g des Bundes sollte das Portfolio von Bundeswehr, Zoll und Polizei erweitern, um die Lücke in der Athletenfö­rderung zu schließen. Davon betroffen

Über allem steht die Frage, ob Deutschlan­d seine Spitzenspo­rtler nicht generell besser bezahlen muss. In vielen Sportarten ist die Förderung im Ausland höher, weswegen deutsche Trainer auswandern. Deutschlan­ds bester Badmintons­pieler Marc Zwiebler findet: „Ein Land wie Deutschlan­d müsste es sich leisten, den Sport adäquat zu finanziere­n, allein wegen der Vorbildfun­ktion, die Sportler haben.“Judo-Präsident Frese hatte schon nach Rio eine bessere Förderung angemahnt: „Dazu gehört, dass die starken deutschen Firmen individuel­l mehr Sportler fördern.“Und auch die Sporthilfe, die jährlich zwischen zehn und 13 Millionen Euro ausschütte­t, gibt zu: „Die vollumfäng­liche Umsetzung des Förderkonz­epts erfordert eine deutliche Mittelerhö­hung.“

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