Das Klein-Paris an der Maas
Lüttich hat neue Museen, eine renovierte Oper und einen spektakulären Bahnhof zu bieten. Seit die Stadt mit dem Hochgeschwindigkeitszug Thalys zu erreichen ist, hat sich die wallonische Metropole rasant verwandelt.
LÜTTICH (dpa) Es gab Zeiten, in denen Lüttich nur mit seinem Bier für jeden Geschmack und seiner Treppe Montagne de Bueren warb. Deren 374 Stufen erschöpfen allein beim Anblick. Doch diese Tage sind Vergangenheit. Seit man mit den Hochgeschwindigkeitszügen Thalys und ICE die wallonische Stadt von Köln, Brüssel und Paris aus mit rund 300 km/h ansteuern kann, ist auch Lüttich mit maximaler Geschwindigkeit in die Zukunft gestartet. Innerhalb von nur wenigen Jahren hat sich die Stadt zu einer Kulturmetropole gemausert. Shuttle-Boot legt seit 2016 an der Uferstraße Quai de Maestricht an. Im Sommer fährt es stündlich – so wie das Batobus auf der Seine in Paris mit den Stationen Grand Palais, Louvre und Musée d’Orsay.
Unter dem Dach des Grand Curtius sind die Sammlungen fünf verschiedener Museen vereint. Sie erzählen die jahrtausendalte maasländische Geschichte und zeigen archäologische Artefakte, Keramiken, religiöse und dekorative Kunst. Das rostrote Kontorgebäude aus dem 17. Jahrhundert gehörte einst Jean Curtius, damals einer der reichsten Männer der Stadt. Sein Vermögen hatte er mit dem Handel von Salpeter und Waffen erwirtschaftet. In Lüttich werden seit dem 16. Jahrhundert Waffen produziert. Noch heute ist das ein lukrativer Industriezweig.
„Lüttich wird allmählich zu einem Klein-Paris an der Maas“, meint Agathe Lecouvreur. Die 20-Jährige studiert Kunst an der Académie Royale des Beaux-Arts. Sie kam vor einem Jahr aus Paris in die „Cité ardente“, die glühende Stadt, wie Lüttich von den Bewohnern auch genannt wird. Der Spitzname ist eine Anspielung auf die zahlreichen Hochöfen, denn die Stadt war einst Zentrum der Schwerindustrie. Heute ist Lüttich, das auf Französisch und amtlich Liège heißt, kulturelles Zentrum Walloniens und die viertgrößte Stadt Belgiens.
Agathe Lecouvreur sitzt auf der Terrasse der „Brasserie du Perron“auf dem Place du Marché, wo sich Cafés, Bistros und Restaurants um das steinerne Symbol der Stadt drängeln, das Brunnen-Denkmal Perron. Es versinnbildlicht die Ge- richtsbarkeit des ehemaligen Fürstbistums. Hier wurden Urteile öffentlich verkündet und ausgeführt. In seiner jetzigen Form stammt es aus dem Jahr 1305. Die Säule und die Figurengruppe der drei Grazien, in der sie endet, waren ursprünglich aus Marmor. Die Originale befinden sich im Grand Curtius, nur wenige Fußminuten entfernt.
„In den vergangenen Jahren ist nicht nur die Zahl der Touristen angewachsen“, sagt Guillaume Kerkhof, der Leiter des Tourismusbüros. Auch die Einwohnerzahl sei gestiegen. „Heute leben rund 200.000 Menschen in der Stadt.“Eine Bevölkerung, die sich gleichzeitig verjüngt. Die Hauptaltersgruppe liege zwischen 20 und 30 Jahren. Zu ihnen zählt auch Agathe Lecouvreur.
Das nächste Ziel heißt Cité Miroir. Auf dem Weg dorthin kommt man an der 2012 wiedereröffneten und für 27 Millionen Euro verschönerten Königlichen Oper der Wallonie vorbei. In Lüttich liegt vieles „auf dem Weg“, denn das kulturelle Leben breitet sich vor allem im Zentrum der Stadt aus. Und so taucht bald das im Januar 2014 eröffnete Schwimmhallen-Museum auf. Für mehr als 20 Millionen Euro wurde das Gebäude renoviert und umgestaltet. Heute finden hier Ausstellungen und Konzerte statt.
Innerhalb von fünf Jahren hat sich Lüttich ein neues Gesicht zugelegt. Den Startschuss zur Metamorphose gab der Calatrava-Bahnhof. Als nächstes Projekt plant Lüttich eine große Bibliothek. Geschätzte Kosten: mehr als 40 Millionen Euro.