Rheinische Post

Bei Wanda lag Amore in der Luft

Die Band aus Wien trat im Stahlwerk auf und feierte den Exzess.

- VON DIRK WEBER

Gegen Ende gleicht das ausverkauf­te Stahlwerk einem Tropenhaus: Wasser würde von der Decke tropfen, wäre die Decke nicht so hoch. Die braune Lederjacke von Sänger Michael Marco Fitzthum, der sich auf der Bühne Marco Michael Wanda nennt, ist völlig durchnässt. Auf seinem Rücken hat sich ein großer dunkler Schweißfle­ck gebildet, der aussieht wie ein Herz. Es ist die „Amore meine Stadt“-Tour, die die Wiener Band Wanda zurück nach Düsseldorf geführt hat.

Fitzthum steckt sich die dritte Zigarette des Abends an. Einen Becher mit Bier, wenn es überhaupt Bier war, hat er gleich zu Beginn des Konzerts prostend ins Publikum gereckt. Ansonsten bleibt er abstinent – kein Bier, kein Schnaps. Die Dosen, die ihm regelmäßig an den Bühnenrand gestellt werden, wirft er ins Publikum.

Ihren größten Hit „Bologna“haben sie gespielt, „Bussi Baby“auch. Jetzt bittet Fitzthum alle 2100 Besucher im Saal, sich auf den Boden zu setzen. Es ist das vorletzte Stück: „1, 2, 3, 4“. Die Leute haben in den vergangene­n 90 Minuten fast jedes Lied lauthals mitgesunge­n. Nun ist es für einen Moment still. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Das WandaSchif­f soll heute noch zum Kentern gebracht werden.

Das weiße Hemd von Bassist Reinhold Weber steht mittlerwei­le so weit offen, dass es einem die Schamesröt­e ins Gesicht treibt. Schlagzeug­er Lukas Hasitschka leitet gerade zum großen Finale über, da springen die Ersten vor Vorfreude in die Luft – ein glatter Fehlstart! Fitzhum lacht und dirigiert die Menschen zurück auf ihre Plätze. Er bewegt sich wie ein Boxer, dem noch hunderte Kämpfe in den Knochen stecken. Er tänzelt, rudert mit den Armen, schlägt sich mehrmals mit der Faust auf die Brust. Kommt doch her, scheint er zu sagen. Er wäre gerne Jim Morrison. Auch der neigte zu teils theatralis­chen Ge- fühlsausbr­üchen. Fitzhum schreit: „Amore“. Er schreit es, als würde er sich um die Stelle als Sänger bei AC/ DC bewerben. Ob das passen könnte? Wohl eher nicht, der 29-Jährige liebt den Exzess – und ist verliebt in den Tod.

Man fragt sich, warum er sich eigentlich nach Stück Nummer sechs seine Lederjacke wieder angezogen hat – bei der Hitze im Saal ein Wahnsinn. Es ist übrigens eine neue Jacke. Seine alte hing, freundlich ausgedrück­t, in Fetzen und muss fürchterli­ch gerochen haben. Jedenfalls prangt jetzt ein Aufnäher auf dem Oberarm. „Team Schmiedstu­be“ist darauf zu lesen, ein Eishockeyc­lub. Fitzthum reißt den rechten Arm in die Luft, und die Leute springen auf sein Kommando in die Höhe. Der Saal tobt. Anschließe­nd verteilt der Sänger noch Bussis und Umarmungen. Amore liegt in der Luft.

Als das Licht angeht, erklingt der „Alabama Song“der Doors: „Well, show me the way to the next whisky bar.“

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