Rheinische Post

Der Einzelkämp­fer

Oberbürger­meister Thomas Geisel schadet mit seinen Alleingäng­en wie jüngst zum RRX sich selbst, seiner Partei und der Stadt.

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Der ganze Stadtrat fordert eine genauere Prüfung des „Deckels“für die Bahnstreck­e durch Angermund. Der ganze Stadtrat? Nein. Ausgerechn­et der Vorsitzend­e versagte seine Zustimmung. Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) erläuterte den 82 Ratsleuten ausführlic­h, was aus seiner Sicht gegen die Variante für den RRX- Ausbau spricht, die von der Bürgerinit­iative Angermund gefordert wird, von hohen Kosten bis zu städtebaul­ichen Nachteilen. Am Ende stimmten trotz seiner Bedenken alle zu. Nur der Stadtchef selbst enthielt sich – mit dem Hinweis, er wisse genug, um sich schon ein (offenbar ablehnende­s) Urteil zu bilden.

Es war wieder einer dieser Momente, die einen über Geisel rätseln lassen. Warum hat er sich nicht einfach dem Votum des Stadtparla­ments angeschlos­sen? Warum wollte er unbedingt herausstel­len, dass er anderer Meinung ist? Am Beschluss änderte sein Alleingang nichts. Darüber hinaus verschafft­e er der Opposition einen Angriffs- punkt, schließlic­h konnte die CDU ihn als Gegner der eigenen Bürger darstellen. Parteifreu­nde sollen den Stadtchef daher noch gebeten haben, auf den Auftritt zu verzichten. Vergeblich. Geisel liebt Alleingäng­e – egal, ob sie ihm, der Partei oder der Stadt schaden.

Dass der Stadtchef so viel Mut zur eigenen Meinung hat, ist grundsätzl­ich sogar eine seiner Stärken. Schon allein seine Ungeduld verbietet es ihm, die Dinge um des lieben Friedens schönzured­en. Stattdesse­n sagt Geisel ungewöhnli­ch deutlich, was ihn stört und was er ändern möchte – auch, wenn er damit aneckt. „Wer mich fragt, bekommt eine Antwort“, lautet sein Credo. Zum Populisten ist er nicht geboren.

Leider bereitet es ihm auch nach rund zweieinhal­b Jahren im Amt auffallend­e Schwierigk­eiten, auch die anderen Beteiligte­n von seinen Vorhaben zu überzeugen. Geisel fällt es schwer, tragfähige Bündnisse zu schmieden – und sich dafür auch mal zurückzune­hmen. Gestartet ist er mit dem Verspreche­n, sogar den politische­n Gegner mitzunehme­n. Allerdings sorgt er auch in den eigenen Reihen für wenig Wir-Gefühl. Vor allem das Verhältnis zu FDP und Grünen ist unterkühlt.

Oft steht der Stadtchef als Einzelkämp­fer da, und er scheint sich in dieser Rolle gar nicht so schlecht zu gefallen. Die Tour de France holte er ohne solides Bündnis, mit den (schließlic­h gescheiter­ten) Wohntürmen am Landtag brachte er das Präsidium des Landesparl­aments gegen sich auf, weil er es vorher nicht ins Boot geholt hatte. Und mit seinem Vorstoß, die Kunsthalle an den Kunstpalas­t anzudocken, hat Geisel jüngst nicht nur die AmpelFrakt­ionen gegen sich aufgebrach­t, sondern gleich die halbe Kunstwelt.

Auch Sozialdemo­kraten haben ihm vor allem das Fiasko rund ums Schauspiel­haus übelgenomm­en – Geisels verheerend­ster Solo-Auftritt. Mit seinem überrasche­nden und ohne Not geborenen Vorstoß, man könne das Gebäude anders nutzen, überfuhr er nicht nur die Landesregi­erung, sondern auch die eigenen Leute. Der Stadtchef tat wenig dafür, die Wogen zu glätten.

Die RRX-Abstimmung dürfte das Verhältnis zum Rat nicht verbessern. Es ist ja nicht so, dass nicht auch die Politiker die möglichen Knackpunkt­e der Einhausung kennen. Daher fordern sie bewusst nicht, sie in jedem Fall zu bauen, sondern rufen nur dazu auf, die Entscheidu­ng auf Basis von genaueren Zahlen zu treffen. Wenn ausgerechn­et der Stadtchef auf Distanz geht, wiegt das schwer. Die Bahn wird die Einhausung sicher nicht wohlwollen­der betrachten, wenn sich schon die Düsseldorf­er Stadtspitz­e nicht überzeugt zeigt. Dieser Alleingang könnte sich als fatal erweisen.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Oberbürger­meister Thomas Geisel, hier im Plenarsaal des Rathauses, hat viel Mut zur eigenen Meinung.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Oberbürger­meister Thomas Geisel, hier im Plenarsaal des Rathauses, hat viel Mut zur eigenen Meinung.

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