Taugenichts im Neonlicht
„Diva“, der französische Kultfilm der 1980er Jahre, liegt endlich digital poliert auf Blu-ray vor. Er sieht immer noch verflixt gut aus.
Es geht selten gut aus, wenn man Filmen wiederbegegnet, die man früher toll fand. Gerade bei den sogenannten Kultfilmen ist das so eine Sache. Die meisten kann man nur aus der Zeit heraus verstehen und aus der Lebensphase, in der man ihnen begegnete. Jahrzehnte später ist meist aller Zauber flöten, man begreift nicht mehr, was da aufgetischt wird, man spürt nicht mehr, was einen einst umgepustet hat, man kommt sich also irgendwie selbst abhanden, und wenn der Abspann
Es gibt auch eine zweite Ebene, eine Thriller-Handlung mit sonnenbebrillten Gangstern aus Taiwan, aber im Grunde ist das nur dramatisches Beiwerk. Man merkt, dass Beineix sich selbst nicht so recht interessiert für Suspense und Action. Ihm geht es um Ästhetik, um Stilisierung, und vielleicht ist genau das der Grund, warum man „Diva“gerne wiederbegegnet. Der Film sieht aus wie ein Museum der 80er Jahre, eines, das sich als Institution nicht so ernst nimmt indes, ein heiteres Archiv des vermeintlich Coolen.
Man erlebt Menschen, die Freude am Konsum haben; die Schönheit, die da präsentiert wird, ist eine, die durch die Werbung vermittelt ist, und „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“von Walter Benjamin dürfte Jean-Jacques Beineix auch gelesen haben.
Die meisten Szenen spielen nachts, das Licht changiert stets ins Blau, alles wirkt kühl und arrangiert. Es kommt ein rätselhafter Kerl vor, er heißt Gorodish, und der wird zum väterlichen Freund von Jules. Gorodish wohnt in einem Loft, das so groß und leer ist, dass seine Freundin darin Rollschuh fahren kann. Alles ist hellblau, weil Goro- dish die Wellen des Meeres liebt. Er selbst sitzt den ganzen Tag über einem Puzzle mit einer Million Teile, das – wenn es jemals fertig wird – natürlich eine Welle zeigt, wobei es nie fertig werden kann, weil es überall blau ist, blau in hundert Abstufungen, so blau und ungreifbar wie der Ozean.
Von heute aus betrachtet geradezu arglos und unschuldig ist die Annäherung zwischen Jules und der Diva, die von der amerikanischen Sopranistin Wilhelmenia Fernandez gespielt wird. Er bringt ihr das Kleid zurück, weil die Zeitungen schon über den Diebstahl berich- ten, und sie findet Gefallen an diesem Kerl. Sie lässt ihn als ersten Menschen überhaupt an ihren morgendlichen Sangesübungen teilhaben, und in der Nacht schreiten sie durch die Parks von Paris. Dazu erklingt die schrecklich schöne und unglaublich kitschige Musik von Vladimir Cosma. Der rumänische Komponist hat Soundtracks für fast alle großen französischen Produktionen der 70er und 80er Jahre geschrieben, darunter auch das Lied „Reality“aus dem Film „La Boum“, das ja das allertollste und allerklebrigste Lied der europäischen Kinogeschichte ist.
So lustwandeln sie also durch die Stadt der Liebenden, jemand spielt Cosmas „Promenade sentimentale“auf dem Klavier, und es bahnt sich etwas an. Doch als wir Jules und Cynthia Hawkins am nächsten Morgen wiedertreffen, liegt sie im Bett und er bekleidet auf dem Sofa. Man leidet ein bisschen mit ihm, „ach, schade!“, und zugleich weiß man, dass sie einander noch mal begegnen werden, zum Schluss, wenn er ihr das Tonband mit dem illegalen Mitschnitt vorspielt. Da hört sie sich selbst zum ersten Mal singen.
„Diva“sieht verflixt gut aus, und wer den Film nun in HD erlebt, wird verblüfft sein, wie wenig die polierten Oberflächen der Bilder gelitten haben. Das ist einer jener Filme, deren Einfluss größer ist, als seine Popularität vermuten lässt. Er hatte starke Wirkung auf die Video-Ästhetik, auf die Vorstellung davon, was schick ist und begehrenswert.
„Diva“. Immer noch total gut.