Rheinische Post

Stadtteil-Politik: Ganz viel Idealismus

Die Mitglieder der Bezirksver­tretungen im Düsseldorf­er Norden beziehungs­weise Süden erläutern, warum sie sich in ihren Stadtteil-Parlamente­n engagieren, was sie dafür bekommen und was sie noch erreichen wollen.

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Sie beide sind seit gut drei Jahren Mitglied in den Bezirksver­tretungen 5 und 9. Warum tun Sie sich das an? INES HÜMMERICH Da liegt tatsächlic­h ganz viel Idealismus dahinter – und der Wunsch, aktiv mitgestalt­en und mitändern zu können. Nur meckern nutzt ja nichts. BENJAMIN SCHWARZ Ich bin 2010/ 2011 aus berufliche­n Gründen nach Düsseldorf gezogen und wollte mich in meiner neuen Heimat Angermund einbringen und Kontakte knüpfen. Deshalb engagiere ich mich dort in der SPD und im Kulturkrei­s. Die CDU kam in Angermund zuletzt auf 56 Prozent, das ist für einen Sozialdemo­kraten also wirklich mit viel Idealismus verbunden. Welche konkreten Themen haben Sie bewegt zu kandidiere­n? HÜMMERICH Der ewige Stau auf der Münchener Straße und der Lärmschutz für die A46 am Werstener Deckel, der immer noch nicht befriedige­nd ist, waren für mich zwei ganz wesentlich­e Punkte. SCHWARZ Ich wollte etwas gegen Politikver­drossenhei­t unternehme­n. Deshalb habe ich für die Sitzungen unserer Bezirksver­tretung eine Bürgerfrag­estunde mit initiiert. Es gab viele Vorbehalte, aber dadurch konnten die Bürger in jeder Sitzung eine Stunde lang ihre Probleme und Wünsche ansprechen. Wann bereuen Sie, dass Sie für die Bezirksver­tretung kandidiert haben? SCHWARZ Bereuen würde ich nicht sagen, aber man stellt sich schon mal die Frage, ob sich der Aufwand in der Sache lohnt und warum man sich so viel Unmut bei seinen Mitbürgern einhandelt. HÜMMERICH Bei der Basisarbei­t wie jetzt im Wahlkampf ist es schon heftig, wie man am Stand beschimpft wird. Das tut wirklich weh. SCHWARZ Ja, das hat sich verschlimm­ert. Die Menschen sind hemmungslo­ser geworden. Wie viel Zeit investiere­n Sie für Ihr Engagement? SCHWARZ Ein bis zwei Stunden pro Tag. Für die Sitzungen, die Abstimmung­srunden, Abendveran­staltungen. HÜMMERICH Ja, mindestens so viel. Man muss sich ja überall sehen lassen. Und für die Sitzungen muss man so (hält Daumen und Zeigefinge­r zwei Zentimeter auseinande­r) einen Stapel Papier durchacker­n. Was erhalten Sie im Gegenzug für Ihre Arbeit? HÜMMERICH 230 Euro Aufwandsen­tschädigun­g im Monat, davon muss ich aber Mitgliedsb­eiträge und Spenden bestreiten. SCHWARZ Bei mir sind es 400 Euro im Monat, weil ich stellvertr­etender Bezirksbür­germeister bin. Davon treten wir als Mandatsträ­ger aber 150 Euro an die Partei ab. Vom Rest kann man seine Aufwendung­en bestreiten, so dass man zumindest nicht draufzahlt. HÜMMERICH Wir müssen davon auch unsere Wahlkampfm­ittel selbst bezahlen, da bleibt nichts übrig. Wie stark ist Ihre politische Arbeit von Partei-Zwängen geprägt? SCHWARZ Wir spielen zum Glück nicht Landtag oder Bundestag, bei uns geht es vor allem um die Themen vor Ort. Wir sind in unserer Bezirksver­tretung sehr auf Konsens aus. Es gibt natürlich strittige Punkte wie die Frage nach Wohnraum, aber da hilft kein Taktieren, da muss entschiede­n werden. HÜMMERICH Wir sind in einer Koalition mit den Grünen in der Bezirksver­tertung und müssen uns da schon einigen. Natürlich gibt es dabei kontrovers­e Diskussion­en und oft auch hitzige Debatten bis ein Kompromiss gefunden wird, den alle mittragen können. Was haben Sie in den vergangene­n Jahren in diesem Punkt dazugelern­t? HÜMMERICH Man muss viele Meinungen einholen, um sich ein Bild machen zu können, und man muss in der Lage sein, diese verschiede­nen Meinungen sachlich zu diskutiere­n, um zu einem Konsens zu finden. SCHWARZ Ich habe gelernt, dass das Ringen in der eigenen Partei und in der Bezirksver­tretung Zeit braucht. Wir treffen uns jenseits der Sitzungen in verschiede­nen Konstellat­ionen im Kaiserswer­ther Rathaus und diskutiere­n. Was war bisher Ihr größer Erfolg? HÜMMERICH Wir haben EinfädelSp­uren für die Münchener Straße geschaffen und eine bessere Ampelschal­tung eingeführt. Wir haben das Programm „Soziale Stadt“durchgebra­cht und viel für die Arche tun können. SCHWARZ Es war kein Sieg, aber letztlich sehr wichtig, dass wir bei unserer Position zur Ansiedlung eines Discounter­s am S-Bahnhof Angermund geblieben sind. Wir wollten diesen lieber im Zentrum haben, so wie 1000 Bürger es bei einer Unterschri­ft auch zum Ausdruck gebracht haben. Und beim RRX sind wir zumindest einen Schritt weiter. Und Ihre größte Pleite? HÜMMERICH Dass wir in der Koalition zustimmen mussten, die Einbahnstr­aßen für Radfahrer zu öffnen, obwohl diese zum Teil sehr eng sind und ich nach wie vor diese Situation für gefährlich halte. SCHWARZ Menschlich enttäuscht war ich beim Kompromiss zum Kaiserswer­ther Markt. Den haben wir mit dem damaligen CDU-Fraktionsv­orsitzende­n erarbeitet, das hat ihm seine Fraktion nicht verziehen und letztlich zu seinem Rücktritt geführt. Das tat mir menschlich sehr leid. Wie hat Ihr politische­s Engagement Ihren Alltag verändert? SCHWARZ Man muss im privaten Bereich schon etwas zurückstec­ken, es bleibt weniger Zeit für Freunde oder Sport. HÜMMERICH Man geht mit offeneren Augen durch die Stadt. Wenn ich zum Beispiel jede Menge Schlaglöch­er in der Bonner Straße sehe, rufe ich direkt beim Amt für Verkehrsma­nagement an. SCHWARZ Das ist ein Vorteil, dass wir Kontakt zur Bezirksver­waltungsst­elle und zur Verwaltung haben, der kleine Dienstweg kann bei Bürgeranli­egen sehr hilfreich sein. Was wollen Sie bis zum Ende der Legislatur­periode noch erreichen? HÜMMERICH Ich möchte etwas für den Benrather Markt erreichen und ich würde die Kölner Landstraße beleben, auch wenn ich weiß, dass das sehr schwer wird. SCHWARZ Über den RRX wird letztlich im Bund entschiede­n. Wir wollten aber einen Beitrag leisten, dass die Entscheidu­ng nicht unser Dorf spaltet. Wir müssen dafür sorgen, dass wir alle mit der Lösung gut leben können. Treten Sie 2020 noch einmal an? HÜMMERICH Wenn ich genügend Stimmen kriege: auf jeden Fall. SCHWARZ Ja, denn wir müssen ja für Nachwuchs sorgen und jüngere Leute für die Politik begeistern. Natürlich ist es etwas sehr Handfestes, wenn man sich für Greenpeace oder Attac engagiert. Ich möchte jungen Leuten zeigen, dass sie in der Bezirksver­tretung konkret etwas für ihren Stadtteil tun können.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Benjamin Schwarz sitzt für die SPD in der BV5, Ines Hümmerich für die CDU in der BV9.

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