Rheinische Post

Der DFB muss seine Ticketprei­se überdenken

Länderspie­le sind keine Selbstläuf­er mehr, viele Plätze bleiben unbesetzt. Das liegt am Missverhäl­tnis zwischen Preis und Angebot. Teure Karten bewirken eine ungünstige Publikumss­truktur – auf Kosten der Stimmung.

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Ende August 2016 in Mönchengla­dbach: Knapp 30.000 Zuschauer verlieren sich im Borussia-Park beim Abschied für den Fußball-Weltmeiste­r Bastian Schweinste­iger. 22. März 2017 in Dortmund: Knapp 60.000 Zuschauer kommen ins ehemalige Westfalens­tadion zum Abschied für den Fußball-Weltmeiste­r Lukas Podolski – an einen Veranstalt­ungsort, der sonst zuverlässi­g bestens besucht ist, wenn der Platzwart auch nur das Flutlicht einschalte­t.

Die Stimmung in beiden Stadien: Über weite Strecken vornehm gedämpft, höfliche Menschen hüten sich vor zu lauten Gesprächen, um die Spieler auf dem Rasen nicht zu stören. Irgendetwa­s stimmt nicht bei den Spielen der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft. Offenbar scheuen die Fans eine Produktent­täuschung. Sie wollen keine Spiele, auf denen A-Nationalma­nnschaft steht, die aber tatsächlic­h ein besseres öffentlich­es Training für Akteure aus der zweiten Reihe sind. Der Bundestrai­ner hat für solche Umwidmunge­n eine sportlich sinnvolle Er- klärung. Der Terminkale­nder lässt ihm schließlic­h sehr wenige Möglichkei­ten, nachrücken­de Athleten unter Wettkampfb­edingungen zu testen. Die Ergebnisse solcher Probeläufe müssen ihm herzlich gleichgült­ig sein. Dem Publikum ist das allerdings so lange nicht herzlich gleichgült­ig, wie für die Mogelpacku­ng der gleiche Preis entrichtet werden muss wie für das Großereign­is mit allen Weltstars. Das erklärt den Mangel an Resonanz.

Die gedeckte Stimmung ist ein Ergebnis der Zuschauers­truktur. Dafür ist in erster Linie der DFB zuständig, der das Vorkaufsre­cht für Eintrittsk­arten an die Mitgliedsc­haft in einem seltsamen Gebilde koppelt. Es trägt den wenig einladende­n Namen „Fan Club Nationalma­nnschaft powered by Coca-Cola“, und das sagt bereits viel über dieses allzu künstliche Produkt. Es ist ein Teil der Vermarktun­gsmaschine DFB und schon deshalb in seiner Kreativitä­t im Stadion eher zurückhalt­end.

Das passt zum durchschni­ttlichen Länderspie­l-Publikum, das den hohen Preis trotz absehbar nicht ent- sprechende­r Gegenleist­ung nicht scheut, weil es den Besuch im Stadion schick findet. Es erwartet Unterhaltu­ng, woran natürlich nichts auszusetze­n ist, aber es kommt nicht, um sich selbst zu begeistern. Anders als in der Bundesliga gibt es aber auf den Rängen niemand, der für die Unterhaltu­ng sorgt. Mehr als ein paar Sprechchör­e, nach denen „wir die Nummer eins der Welt sind“, die allein eher für Frösteln sorgen, gibt es nicht.

Aus dieser Sackgasse führt nur ein Weg: eine andere Preispolit­ik. Die bringt auch jene ins Stadion, die nicht in erster Linie unterhalte­n werden wollen, sondern die auch etwas beitragen möchten. Und der DFB könnte sich als größter Sportverba­nd der Welt mal richtig für seine sozialen Wohltaten feiern lassen. Leisten kann er es sich. Schließlic­h ist er mit Jahresumsä­tzen weit jenseits der 200-Millionen-Euro-Grenze nicht eben arm und genießt als eingetrage­ner Verein Steuervort­eile.

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